tag 26 > yellowstone (mo 06.06.2016)
Unser ambitionierter Plan für heute ist, Bären, Wölfe und Elche zu sichten. Dafür verlassen wir das Canyon Village über den Dunraven Pass in Richtung Lamar Valley. Auf dem Weg halten wir bei den Tower Falls, auf deren Parkplatz erst ein Auto steht und die dazugehörigen Insassen auf einer Parkbank dösen. Der Wasserfall inmitten von Felsspitzen – daher der Name – ist sehr schön anzusehen und der Umstand, dass wir alleine auf der Aussichtsplattform sind, macht ihn grad nochmals schöner.
Bei der für die Saison noch nicht geöffneten Roosevelt Lodge biegen wir rechts ab. Auf einer Anhöhe linker Hand können wir eine Menschengruppe erkennen, die ihre Fernrohre Richtung gegenüberliegenden Hang ausgerichtet haben. In der Hoffnung, auch ohne Fernrohr ein Wolfsrudel oder mindestens einen Bären zu sehen, biegen wir in die Slough Creek Road ab. Mehrere Safaribusse haben sich hier stationiert und ein Frühstücksbuffet aufgebaut. Ich merke, dass mir der Magen knurrt. Als wir loszogen, hatte noch kein General Store geöffnet.
Ganz langsam fahren wir die Gravel Road bis ans Ende und wieder zurück, ohne ein Tier gesehen zu haben. Zum Parkieren gibt es kein freies Plätzchen. Ich glaube, die Safaribusunternehmen haben auf dem Parkplatz Exklusivrecht.
Dann suchen wir halt im Lamar Valley weiter. Landschaftlich gefällt es mir, tiermässig ist leider nicht so viel los. In einiger Entfernung sehen wir eine riesige Bisonherde und eine Pronghorn-Mutter säugt ihr Baby, das ist alles. Auf dem Rückweg, kurz vor der Tower Junction haben wir dann aber doch noch ein bisschen Glück. Elf Bighorn Sheeps tummeln sich am Abhang nahe der Strasse.
Wir setzen uns ein einfacheres Ziel: Die Mammot Hot Springs. Auf dem Weg dahin sehen wir einen Wegweiser zum Petrified Tree, dem wir folgen. Beim Petrified Tree handelt es sich um einen gut erhaltenen Baumstumpf, der senkrecht geschätzte drei bis vier Meter in die Höhe ragt. Um ihn vor Beschädigungen zu schützen, ist er eingezäunt.
Kurz nach dem Floating Island Lake stehen jede Menge Autos auf einer Ausbuchtung und am Strassenrand. Leute mit Ferngläser und grossen Objektiven sind zu sehen. Wir schaffen es, etwas weiter vorne ein Plätzchen am Strassenrand zu ergattern und laufen zu der voll besetzten Parkbucht. Ein Mann erklärt mir, dass am Waldrand eine Schwarzbärenmutter mit zwei Cubs wäre. Die Mutter sehe ich, die Jungen, die auf einem Baum herumklettern sollen, kann ich einfach nicht erkennen.
Wir folgen ein paar Leuten den Hang hoch, um einen besseren Blick auf die Bärenmama zu haben. Der Ranger, der bereits vor unserer Ankunft die Situation beobachtet, lässt uns gewähren, denn wir halten den empfohlenen Mindestabstand von 100 Yards (91 m) längstens ein. Nach einer Weile kommt er zu uns hoch und bittet uns in freundlichem Ton, so langsam wieder zur Strasse zurückzukehren und wegzufahren. Alle ohne Ausnahme leisten seiner Bitte Folge und so haben die Bären wieder ihre Ruhe.
Nur wenig später wandert eine andere Bärenmutter mit ihrem Jungen den Hang hoch. Als sie aus unseren Augen verschwunden ist, fahren wir weiter. Links führt eine Strasse zur Blacktail Plateau Drive. Ein Schild am Anfang dieser sechs Meilen langen, unbefestigten Einbahnstrasse verspricht Bären. Der Weg führt mehr oder weniger parallel zu der Strasse zurück, auf der wir gekommen sind. Mit etwas Glück sehen wir die beiden Bären von vorhin nochmals. Wir fahren mit 10 – 15 mph, wir sind nämlich auf der Pirsch und nicht auf der Flucht.
Auf einmal steht ein Felsgebirgshuhn (Dusky grouse) vor uns. Reiner hält an, das Huhn watschelt auf meine Seite und bettelt mich an, dabei gibt es seltsame Töne von sich. Selbst wenn ich etwas gehabt hätte, so hätte es nichts gegeben, also fahren wir weiter, sobald sichergestellt ist, dass das Huhn nicht unter die Räder kommen kann. Nun steht das Federvieh einem hinter uns fahrenden SUV vor der Stossstange und spielt dasselbe Spiel mit ihm.
Kurz vor der Abzweigung zum Petriefied Tree treffen wir wieder auf der Grand Loop Road. Somit kommen wir nochmals an den Stellen vorbei, wo sich vorher die Bären tummelten. Doch diesmal ist nichts mit Meister Petz. So kommen wir um die Mittagszeit immer noch hungrig bei Mammoth Hot Springs an. In der dortigen Cafeteria essen wir erst mal eine Kleinigkeit, bevor wir uns zu den Kalksteinterrassen aufmachen. Der erste Parkplatz ist voll, aber auf dem zweiten sind noch einige Plätze frei.
Der Bordcomputer zeigt 31°C, dazu gibt es herrlichen Sonnenschein. Besonders schön sind die Minerva Terrace in ihrem strahlenden Weiss und leuchtenden Orange. Das darüber fliessende Wasser glitzert in der Sonne. Lange halten wir es nicht aus. Die oberen Terrassen schauen wir uns vom klimatisierten Auto aus an.
Als nächstes fahren wir bis Norris und von dort auf die Norris Canyon Road. Wir biegen rechts in eine schmale Einbahnstrasse ab, die sich am Gibbon River entlang schlängelt und an der Virginia Cascade vorbeiführt. Auf einmal, wir sind schon fast beim Canyon Village, streift ein Coyote im Gras umher. Wir beobachten ihn solange, bis er im hohen Gras verschwindet. Auf der anderen Strassenseite können wir Wapitis, Pronghorns (Gabelböcke) und ein paar Bisons ausmachen.
Im Canyon Village nehmen wir an einem Ranger-Programm teil, wo es um den Umgang mit Wildtieren im Allgemeinen, Bären im Speziellen geht. Ein paar aufgeweckte Kinder sitzen auf dem Boden, daneben stehen die Erwachsenen, zu denen wir uns gesellen. Vor uns wartet der Ranger mit Blick auf die Uhr, bis der Zeiger auf vier Uhr springt, dann beginnt er mit seiner äusserst interessanten und anschaulichen Präsentation. Dabei bindet er vor allem die Kinder in sein Programm mit ein.
Um zu illustrieren, wie weit 25 Yards sind – das ist der Abstand, den man zu allen Wildtieren ausser Bären und Wölfen mindestens einhalten muss - lässt er einen Jungen mit dem einen Ende eines Seils diese Distanz zurücklaufen, während er das aufgewickelte andere Ende in seinen Händen hält. Auch die 100 Yards Mindestabstand zu Bären und Wölfen demonstriert er mit einem Beispiel. Weiter zeigt er die Handhabung eines Bärensprays und gibt viele nützliche Informationen zum Umgang mit Wildtieren. Zwischendurch fragt er die Kinder ab, die im Chor antworten. Es ist süss, die Knöpfe so eifrig bei der Sache zu sehen und ich bin überzeugt, dass sie die Erwachsenen in die Schranken weisen, wenn die sich nicht an die Regeln halten. Schade nur, dass viele Besucher solche Programme und Parkanweisungen ignorieren.
Wir ruhen uns ein bisschen aus, dann machen wir uns nochmals auf, im Lamar Valley auf Pirsch zu gehen. Erwähnenswerte Tiersichtungen - abgesehen von ein paar Bisons und Pronghorns - gibt es keine mehr, dafür einen schönen Sonnenuntergang beim Dunraven Pass, wenn auch nicht so spektakulär, wie gestern.