In dieser Etappe unternahmen wir einen Abstecher in die atemberaubenden Landschaften von Utah, bestaunten den Grand Canyon von einer anderen Seite und trafen auf eine Menge wilder Tiere in freier und nicht so freier Wildbahn.
zu doof für eine schlüsselkarte
Die Rezeptionistin des Hotels war sehr freundlich, es wirkte aber ein bisschen aufgesetzt. Wir hätten das Zimmer 204 bekommen sollen, doch da war etwas nicht in Ordnung – keine Ahnung, was. Stattdessen bekamen wir die 108. Ihre Arbeitskollegin flüsterte ihr etwas zu, es schien, als wäre diese sich nicht sicher, ob die 108 frei wäre. Die 204 auf dem Etui für die Schlüsselkarte, auf dem Orientierungsplan und auf einem Informationsblatt wurde mit TippEx abgedeckt und durch eine 108 ersetzt. Wir rollten unser Gepäck zu unserem Zimmer, öffneten die Tür und erblickten darin einen Koffer. Schnell schlossen wir die Tür wieder und ich ging zur Rezeption. Nun war es vorbei mit der Freundlichkeit. Die Empfangsdame murmelte zwar eine Entschuldigung, aber ich wurde das Gefühl nicht los, dass sie den Fehler bei uns sah. Ich erhielt die Schlüssel für die nebenanliegende 106, wo wir die Tür nicht aufbekamen. Die Karten funktionierten nicht, also marschierte ich wieder zur Rezeption. Die Kollegin riss mir die Karten aus der Hand, eilte zur Tür der 106 und öffnete sie ohne Probleme. Wir müssten auf den Pfeil achten, schnaubte sie uns zu, bevor sie hocherhobenen Hauptes davonstolzierte.
Ein langweiliger Kellner bediente uns im Fiesta Mexicana, an welches wir gute Erinnerungen hatten. Das Essen war okay, die Margaritas gross und gut, aber eine so zurückhaltende Bedienung war bestimmt nicht gut fürs Geschäft. Zurück im Hotel funktionierten unsere Karten zwar an der Hintertür, um ins Hotel zu gelangen, nicht aber bei der Zimmertür. Wir achteten auf den Pfeil, steckten die Karten abwechslungsweise mal schnell, mal langsam und in jeder erdenklichen Art und Weise in den Schlitz, bis endlich das grüne Lichtlein aufleuchtete.
man spricht deutsch
Frühstück gab es in diesem Hotel erst ab halb acht. Der kleine Frühstückraum war bis auf den letzten Platz gefüllt, auch in der Lobby hatten sich Gäste platziert. Wir fanden an einem grossen Tisch in einer Nische einen Platz. Als ich mir etwas zu Essen holen ging, herrschte eine hässige Stimmung unter den mehrheitlich deutschsprachigen Gästen. Es fehlte Besteck, die Teller waren ausgegangen und auch beim Nachfüllen des Essens kam das Personal nicht nach. Neben mir sass dem Dialekt nach zu urteilen ein Österreicher mit seiner Freundin. Er meckerte rum und sie gab sich alle Mühe, ihn aufzumuntern. Sie strich ihm sogar einen Toast, doch auch das half nichts. Das Rührei schmeckte ihm nicht, war ungesalzen, aber den Salzstreuer, den ich ihm zuschob, ignorierte er.
Wieder mussten wir gefühlte hundert Mal probieren, bis wir endlich ins Zimmer kamen. Aber darauf, nochmals von einer Rezeptionistin so doof angemacht zu werden, hatte ich keine Lust.
ein abstecher nach utah
Es war warm und sonnig, nur ein paar Wolken standen am Himmel. Wir schnappten den Jeep und fuhren über die Glen Canyon Dam Bridge Richtung Norden, überquerten die Grenze von Arizona nach Utah, an Big Water vorbei und bogen rechts in die Cottonwood Canyon Road ab. Uns erwarteten 47 Meilen (76 Kilometer) unbefestigte Strasse vorbei an einer grandiosen Landschaft. Bei schlechter Witterung kann die Gravel Road unpassierbar sein. Wir hatten aber Glück, sie war sehr gut befahrbar.
Bis zum Grosvenor Arch waren wir die Strecke bereits im Jahr 2014 gefahren, nun wollten wir sehen, was danach noch kam. Nach einer ausgiebigen Fotosession bei dem hübschen Felsbogen fuhren wir weiter, bis die K7000 zur Kodachrome Road wurde. Was jetzt? Wir überlegten, ob wir die Cottonwood Canyon Road zurück nach Page oder aussenrum über Kanab fahren wollten. Letzteres war die längere Strecke, aber weil sie asphaltiert war, dauerte die Fahrt etwa gleich lang wie über die unbefestigte.
Wir entschieden uns für die malerische UT-12 und den Highway 89. Zufälligerweise führte der Weg am Bryce Canyon vorbei, den zu besuchen wir schon zu Hause wegen der grossen Entfernung ausgeschlossen hatten. Wir konnten nichts dagegen tun, unser Auto lenkte automatisch in den Nationalpark mit den roten Felspyramiden. Ein Präriedog stand am Wegrand und hielt nach Feinden Ausschau. Etwas weiter kreuzte ein Gabelbock unseren Weg.
Bloss einen Blick vom Bryce Point auf das Amphitheater werfen, das war unser Plan. Doch was war das? Der Parkplatz war voll und wir wurden angewiesen, den Ort umgehend zu verlassen. Damit hatten wir nicht gerechnet. Wir versuchten unser Glück beim Paria View. Dort war nicht ganz so viel los und so ging ich bei bewölktem Himmel und nur noch 15 Grad Celsius den Weg bis zum Aussichtspunkt. Damit beendeten wir die Stippvisite in einem Park, der es verdient hätte, ein paar Tage statt nur ein paar Minuten lang besucht zu werden.
Wir gaben Page als Ziel ins Navi ein. In nur zwei Stunden sollten wir dort ankommen. So weit waren die beiden Orte also gar nicht auseinander. Falls das Wetter morgen gut wäre, könnten wir uns den Bryce Canyon National Park doch nochmals vornehmen. Wir verstanden nicht, wieso wir bei den Vorbereitungen diese Option ausgeschlossen hatten.
Ich fuhr und fuhr und auf einmal fiel es mir wie Schuppen von den Augen: Ich hatte einen Rechenfehler gemacht. Statt zwei waren es drei Stunden Autofahrt, denn Utah lag in einer anderen Zeitzone. Das Navigationsgerät zeigte aktuell die Mountain Daylight Time (MDT) an und berechnete für die Ankunftszeit die Mountain Standard Time (MST).
Das hatte sich nicht gelohnt, da waren wir uns einig. Es wäre viel schöner gewesen, die Cottonwood Canyon Road zurückzufahren, dann wäre der Weg das Ziel gewesen. Doch auch so kamen wir in Page an und gingen in die Grand Canyon Brewery essen. Mein Pulled Pork Sandwich schmeckte lecker, aber das Schwein war nicht gut zerzupft, sodass ich teilweise riesige Stücke im Brötchen hatte. Das vom englischen Server empfohlene lokale Bier war tadellos. Am besten gefiel mir der Typ, der das Essen servierte. Er war bilderbuch-schwul und zelebrierte das regelrecht. Beim Servieren winkelte er sogar das Bein an. Weniger cool fand ich zwei deutsche Kinder im Vorschulalter, die im Lokal herumtollten, ohne dass sich die Eltern darum gekümmert hätten. Keiner erklärte ihnen, dass es sich nicht gehörte, Dinge anzufassen, dreckig oder gar kaputt zu machen. Auch die Tatsache, dass wir wieder gefühlte hundert Mal die Karte in den Schlitz stecken mussten, bis das Lämpchen endlich grün aufleuchtete und wir ins Zimmer konnten, fanden wir weniger prickelnd.
paria
Es war schon kurz nach acht Uhr, als wir zum Frühstück gingen. Der grosse Andrang war vorbei und wir fanden genügend Platz, ausreichend Geschirr und auch nachgefüllte Lebensmittel vor. Die Stimmung unter den Gästen war viel besser als gestern.
Auch heute fuhren wir wieder auf dem Highway 89 nach Utah. Die K4250 zweigte einige Meilen nach der Einfahrt zur Cottonwood Canyon Road rechts ab und führte nach Paria, einer Geisterstadt am Paria River. Zu Beginn der Strasse war ein Platz mit einer Hinweistafel. Dort stand bereits ein Auto, weshalb wir entschieden, die Tafel bei der Rückkehr zu lesen. Die Strasse war ungeteert und führte an einer farbenfrohen Berglandschaft vorbei. Die Gegend war so wunderschön, dass wir verstanden, weshalb sie früher als Kulisse für verschiedene Western genutzt worden war. 1943 waren mehrere Szenen für Buffalo Bill in der malerischen Geisterstadt mit ihrem Canyon-Vista-Hintergrund gedreht worden. Die Crew hatte damals mit dem ständig überschwemmten Paria River zu kämpfen.
1961 war die alte Geisterstadt als Drehort für den Rat Pack-Film Sergeants 3 genutzt worden, aber die Macher des Films waren unzufrieden gewesen damit, was von Paria übriggeblieben war, und hatten eine Nachahmung der alten Westernstadt konstruiert. Die Besucher hatten das Filmset oft mit dem echten Paria verwechselt. Sturzfluten hatten das Set 1998 beschädigt. Es war wieder aufgebaut und im Jahr 2006 durch ein Feuer zerstört worden.
Wir fanden weder das Filmset noch die eigentliche Geisterstadt, wobei wir nicht behaupten können, diese gesucht zu haben. Für uns war es eine Ausfahrt in eine unglaublich hübsche Gegend ohne weitere Touristen, die uns gestört hätten.
kanab und ein einsamer fels
Unser Auto hatte Durst und wir hatten noch keine Lust nach Page zurückzukehren, also fuhren wir nach Kanab. Dort fütterten wir das Auto mit Benzin. Gegenüber der Tankstelle befand sich ein Cafe. Wir waren schon fast im Restaurant, als mir in den Sinn kam, noch kurz die Bewertungen anzuschauen. Diese waren so unterirdisch, sodass wir umdisponierten und ins viel besser bewertete Wild Thyme Cafe gingen. Das Restaurant war gut besucht und wir konnten uns in eine Liste einschreiben. Drinnen oder draussen? Wir wählten «first available» und bekamen schon bald einen Tisch im Gastraum des netten Cafes. Für mich gab es Schweinefleisch, das unglaublich gut gewürzt war und Reiner genoss eine Forelle beziehungsweise ein Filet davon. Wir waren vom Ambiente, von der Bedienung und vom Essen sehr angetan.
Anschliessend machten wir uns auf den Rückweg, wobei wir hie und da abbogen, um zu schauen, was die Gegend noch zu bieten hatte. Kurz bevor wir wieder in Arizona waren, bogen wir links in die Lone Rock Road ein. Der Lone Rock, der einmal ein einsamer Felsen im Lake Powell war, stand fast vollkommen im Trockenen. Der Wasserspiegel des Sees war im Laufe der Jahre auf ein beängstigendes Mass gesunken.
zurück in arizona
Wir verbrachten eine Weile am Lakeshore Drive. Die Sonne stand in der Zwischenzeit tief. Für den Sonnenuntergang begaben wir uns zum Wahweap Overlook mit Blick über die Wahweap Bay, den Glen Canyon Dam und weite Teile von Utah und Arizona.
Eine Busladung voller junger, feierwütiger Menschen hatte sich an dem Ort versammelt. Die meisten interessierten sich nicht für die Aussicht und den Sonnenuntergang, sondern verbrachten den Abend mit Saufen und Feiern. Trotzdem gefiel es mir gut und wie so oft an solchen Orten, konnten wir diverse Fotoshootings beobachten. Ich musste schmunzeln, zu was für Posen sich Lieschen Müller und Hänschen Meier verleiten liessen, um auf Instagram und Co. eine gute Falle zu machen. Dabei waren es durchaus nicht nur die jungen Mädchen. Eine Frau Mitte oder Ende vierzig zog ihr Jäckchen aus, hielt es wie eine Fahne in den Wind und hüpfte vor unserer Nase mehrfach von rechts nach links und wieder zurück, bis sie mit ihrem Bild zufrieden war, das ihr Mann von ihr schoss.
colorado river
Aus Erfahrung von gestern gingen wir wieder etwas später zum Frühstücken, was aber immer noch eine Spur zu früh war, denn der Ansturm hatte sich noch nicht ganz gelegt. Ein letztes Mal mit Mühe ins Zimmer und dann checkten wir aus. Die Rechnung war bereits ausgedruckt, wurde mir aber erst auf meine Nachfrage hin ausgehändigt. Dies bestätigte meinen Entschluss, dass wir das erste und letzte Mal in diesem Hotel abgestiegen waren.
Zum Abschied von Page gingen wir zum Glen Canyon Dam Overlook. Blöderweise rutschte ich aus, was zur Folge hatte, dass mein Knie, das sich inzwischen ganz gut erholt hatte, wieder zu schmerzen begann. Dies bekam ich besonders beim Überqueren der Historic Navajo Bridge zu spüren. Der Blick war aber die Schmerzen wert, denn der Colorado River war von einer intensiven blau-grünen Farbe, die so übertrieben aussah, als wäre sie mit Photoshop gemacht worden.
Auf der Westseite der Brücke zweigt die Lees Ferry Road rechts ab. Beim Lee’s Ferry Entrance Point machte ich mich schlau, ob wir Eintritt zu zahlen hatten, aber auch dieses Gebiet war im Nationalparkpass enthalten. Die Strasse führte um den Cathedral Rock herum, am Balanced Rock vorbei, zweigte zum Paria Beach am Colorado River ab und endete bei Lees Ferry. Wir stoppten beim Paria Beach, wo wir uns auf einen Felsblock setzten, und die Leute beobachteten. Es wurde geangelt und geplantscht, geplaudert und gegessen.
Anschliessend picknickten wir beim Lees Ferry Campground. Von da aus hatten wir einen schönen Blick auf den Colorado River, auf dem mehrere Schlauchboote den Fluss hinuntertrieben. Ein Ranger ging von einem überdachten Platz zum nächsten und plauderte mit den Gästen.
grand canyon national park north rim
Wir hatten noch knapp 150 Kilometer vor uns. Als wir bei der Grand Canyon Lodge am North Rim ankamen, wurden wir von einer sehr netten Frau empfangen. Sie erkannte, dass wir deutsch sprachen und wollte wissen, wie lange wir in den USA zu Besuch wären. Ihr Kollege wollte die Reiseroute hören und als ich Las Cruces erwähnte, strahlte er und meinte, dass er aus Las Cruces stamme.
Obwohl wir etwa eine Stunde zu früh angekommen waren, bekamen wir eine Hütte. Zwar war es nicht die uns zugeteilte, aber da sie eh alle gleich waren, spielte das keine Rolle. So eine Cabin zu bekommen war gar nicht so einfach. Ich hatte mir den Tag in der Agenda eingetragen, ab dem eine Buchung möglich war. Aber als ich an dem Tag eine Western Cabin reservieren wollte, waren bereits alle ausgebucht. Das musste innert Minuten geschehen sein. Ich war enttäuscht, denn die Western Cabins waren näher beim Rim, etwas grösser und hatten eine Veranda. So blieb uns eine Frontier Cabin, die dafür wesentlich günstiger war als eine Western Cabin.
Die Hütte war sehr einfach, hatte aber alles, was es brauchte. Zwei Betten, ein kleiner Tisch und ein Stuhl standen im Zimmer und dazu gab es ein kleines Bad mit einer Dusche. Sogar Kleenex, Conditioner und Body Lotion standen zur Verfügung. Strom gab es auch, ein Ventilator war an der Decke angebracht, bloss eine Heizung suchte man vergebens. Lediglich ein Heizstrahler an der Decke des Bades erwärmte die Luft etwas, um die Dusche nicht schlotternd verlassen zu müssen.
Wir fuhren die View Points ab und schauen uns das Weltwunder von Norden her an, was mir noch viel besser gefiel als vom South Rim. Das lag auch daran, dass der North Rim durch seine abgelegene Lage weniger überlaufen war.
Zurück in der Lodge, machten wir uns fürs Abendessen fertig. Wir hatten für halb neun einen Tisch im Restaurant reserviert. Vorher setzten wir uns auf die wundervolle Terrasse und genossen den Sonnenuntergang. Ich checkte kurz die E-Mails und fand eins vom Restaurant vor, wo ich unseren heutigen Besuch bestätigen musste. Zum Glück hatte ich mich eingeloggt. Es hätte mich zu sehr geärgert, wenn unser Tisch an jemand anderen vergeben worden wäre.
Als die Sonne verschwunden war, wurde es empfindlich kühl, um nicht zu sagen, kalt. Wir fanden ein freies Sofa im Innern des Gebäudes und schauten durch die grossen Panoramafenster, wie es immer dunkler wurde. Vor dem Speisesaal herrschte reges Treiben. Um zwanzig nach acht ging ich hoch, um uns einzuchecken. Ich fragte den Angestellten, ob er uns rufen würde, wenn unser Tisch frei würde und er bejahte. Ich war sehr gespannt, wie er unseren Namen aussprechen würde. «Gabriela» konnte ich gut verstehen, über den Nachnamen musste ich sehr schmunzeln. Er wollte wissen, wie der Name richtig ausgesprochen wird und sprach ihn korrekt nach. Darauf meinte er heiter: «I love this!».
Im Restaurant war sehr viel los. Ein Paar feierte seinen 40. Hochzeitstag, wie uns Bill verriet, als er uns die Flasche Grand Canyon Pinot Grigio und die Feigen im Speckmantel servierte. Er meinte, er hätte es gerade mal auf zehn Jahre gebracht.
Zur Hauptspeise gab es Lachs, weil die einheimische Forelle, auf die ich mich so gefreut hatte, bereits ausverkauft war. Am Nebentisch sass ein etwa zwölfjähriges Mädchen mit den Grosseltern. Es wurde nach Strich und Faden verwöhnt. Freudenstrahlend bekam es ein Dessert, welches es genüsslich verspeiste. Die drei und wir waren die letzten Gäste, die den Speisesaal verliessen. Die anderen Tische waren bereits fürs Frühstück eingedeckt worden.
Den Weg zu unserer Hütte fanden wir trotz der dunklen Nacht gut. Dann hiess es schnell unter die Bettdecke kriechen, denn es war sehr kalt. Den Wecker stellten wir auf halb fünf. Das sollte reichen, um den Sonnenaufgang zu beobachten.
die feuerwehr ist da
In der Nacht wachte ich einmal auf und als ich das nächste Mal die Augen öffnete, war es bereits halb sechs. Wir hatten verschlafen. In Anbetracht der Tatsache, dass es ziemlich bewölkt war, machte das aber nichts. In der angrenzenden Hütte gab es einen heftigen Streit. Er schrie: «Always I, I, I!» Ich stellte im Bad den Deckenstrahler ein, um mich etwas aufzuwärmen, duschte, dann ging es los auf die Cape Royal Road. Das Thermometer im Auto zeigte 36 Grad an, aber Fahrenheit, nicht Celsius. Nun war klar, weshalb der North Rim nur vom 15. Mai bis zum 15. Oktober geöffnet war, wenn im Juni noch Temperaturen um den Gefrierpunkt herrschten.
Beim Roosevelt Point Overlook war eine Frau, sonst sahen wir noch keine Menschenseele. Wir unterhielten uns kurz mit ihr, während wir gemeinsam die Aussicht bewunderten. Beim Viewpoint for Angels Window waren wir allein und auch auf dem kurzen Wanderweg zum Angels Window waren wir die einzigen, die bereits unterwegs waren. Erst beim Rückweg kamen uns die ersten Besucher entgegen. Eine von ihnen war die Frau vom Roosevelt Point Overlook, die uns jedoch nicht mehr erkannte.
Unser Plan war es, im Café der Lodge zu frühstücken, das sich neben dem Saloon befinden sollte. Aber wenn dieses überhaupt existierte, so war es nicht geöffnet. Wir besorgten uns im Deli Sandwiches, die nicht sättigten und planten für den Mittag, im Saloon zu essen.
Die Terrasse der Lodge war der Hauptgrund für mich, hier abzusteigen. Am Rim zu sitzen und in den Grand Canyon zu blicken, war unbeschreiblich, deshalb wollten wir den Tag gemütlich hier verbringen. Es war ein Kommen und Gehen. Manche wanderten, andere lasen oder unterhielten sich. Auf einmal kamen vier Typen – eine Frau und drei Männer – im perfekt sitzenden kakifarbenen Tenue an. Man muss sie sich wie die Rettungsschwimmer von Baywatch vorstellen, einfach in Uniform statt in Badehosen. Die sahen so unglaublich gut aus, dass sich jeder, aber auch wirklich jeder, nach ihnen umdrehte. Ich dachte erst, es wären Ranger, doch dann bekam ich mit, dass es sich um Firefighters handelte. Sie beobachteten die Gegend, um frühzeitig einen allfälligen Waldbrand zu erkennen und Meldung machen zu können. Sie waren in den gesamten Staaten unterwegs. Den letzten Auftrag erfüllten sie in North Carolina und jetzt waren sie hier am North Rim des Grand Canyons beschäftigt. Die Amerikaner fragten sie aus und sie gaben breitwillig Auskunft. Als einer der Gäste den jüngsten Feuerwehrmann fragte, ob er ein Fotomodell sei, wurde der knapp zwei Meter grosse Schönling verlegen.
So langsam wurden wir wieder hungrig, doch der Saloon bot kein Essen an. Wir begnügten uns mit Chili Dogs aus dem Deli, die wir auf der Terrasse vertilgten und bereuten es, nicht viel Essbares mitgebracht zu haben. Das, was wir hatten, assen wir am Abend, als wir nochmals zum Imperial Point fuhren. Den restlichen Abend verbrachten wir auf einem der gemütlichen Sofas in der Lodge, bevor wir uns zum Schlafen zurückzogen. Draussen windete es heftig, es sah nach Regen aus.
das hätte ins auge gehen können…
Am Morgen war es teilweise bewölkt und wieder kühl. Wir checkten aus und fuhren aus dem Nationalpark hinaus. Auf der dahinterliegenden Wiese erwartete uns eine Bisonherde. Wir hatten Glück, dass wir uns genau bei diesem Punkt in eine kleine Haltebucht stellen konnten, sodass wir die imposanten Tiere beobachten konnten, bevor wir zum Marble Canyon Restaurant gingen, um zu frühstücken. Die Bedienung wollte bereits schliessen, doch sie genehmigte uns doch noch, Platz zu nehmen. Wir bestellten je einen Avocadotoast, aber der konnte dem ersten Frühstück in Los Angeles nicht das Wasser reichen.
Auf der Weiterfahrt bogen wir spontan links nach Tuba City und von dort auf die AZ-264 ab. Wir wollten zum Coal Mine Canyon, wo wir 2014 bereits einmal waren und der uns so gut gefallen hatte. Doch die Einfahrt, die wir damals genommen hatten, sah privat aus und der Weg, den uns das Navi wies, führte zu einer sandigen Piste, die wir nicht getrauten, zu fahren. Daraufhin wollte Reiner zum Blue Canyon, den wir sowohl 2014 wie auch 2016 von Norden her versucht hatten, zu erreichen, aber wegen tiefem Sand aufgeben mussten. Beim zweiten Mal hatten wir die Anfahrt von Süden her geschafft.
Wir bogen wie damals in die Indian Route 7 ab und schauten genau, ob irgendwo ein Verbotsschild stand, aber da war nichts zu sehen. Ich hatte gelesen, dass es nur in Begleitung eines Hopi erlaubt war, dort entlangzufahren. Da aber nichts auf ein Verbot hinwies, hatte ich auch kein schlechtes Gewissen, den Weg zu nehmen.
An einer Stelle ging es auf sandigem Untergrund stark bergab und die Wolken nahmen zu. Wir hofften, dass das Wetter hielt, bis wir wieder geteerte Strasse unter den Rädern hatten. Der warmen Kleider hatten wir uns längst entledigt. Es war inzwischen knapp 30 Grad Celsius wärmer als noch am Morgen beim Grand Canyon.
Dann waren sie da, die wunderschönen Felsformationen, die Zipfelmützen, die Hoodoos und weitere erodierte Felsen in der Einsamkeit. Kein Auto, kein Mensch und kein Tier waren zu sehen. Nur Fuss- und Hufspuren waren im weichen Boden hinterlassen worden, als er feucht gewesen sein musste.
Beim Rückweg verlief alles gut - das Wetter hielt - bis wir an die steile, sandige Stelle kamen. Die Räder drehten durch und wir kamen nicht die Anhöhe hoch. Ich blieb ruhig, Reiner wurde nervös. Er versuchte es ein zweites Mal etwas mehr links und mit einer Spur mehr Gas, aber wir steckten wieder fest. Rückwärts runterrollen und ein neuer Anlauf. Schliesslich fuhren wir mit noch mehr Tempo die Piste hoch, gelangten in eine Sandbank und schleuderten. Reiner hatte nach einer gefühlten Ewigkeit endlich wieder Kontrolle über das Fahrzeug. Mir war fast das Blut in den Adern gefroren, so geschockt war ich. Ich malte mir aus, was alles hätte passieren können, wenn wir den Abhang hinuntergerauscht wären, kein Mensch uns gefunden hätte, wir verletzt worden wären und das Handynetz nicht funktioniert hätte. Aber zum Glück kamen wir mit dem Schrecken davon.
In Tuba City suchte ich im McDonalds die Sanitären Anlagen auf. Wegen der hier noch herrschenden Maskenpflicht musste ich vor dem Eintreten erst eine Maske suchen. Ein paar Kinder wollten uns auf dem Platz penetrant irgendeine Spielzeugfigur verkaufen. Sie gaben erst Ruhe, als ich das Steuer übernahm und wir uns vom Parkplatz entfernten.
Auf dem Highway 89 Richtung Süden sah ich auf einmal, wie sich von rechts ein Sandsturm auf die Fahrbahn zubewegte und dann war ich auch schon mittendrin. Es wurde dunkel, die Fahrbahn war nicht mehr zu erkennen. Rund um uns herum war nichts als Sand. Instinktiv bremste ich ab; stark genug, um nicht auf das vordere Fahrzeug aufzufahren oder von der Fahrbahn abzukommen, aber nicht so heftig, dass mir das hintere Auto ins Heck krachte. Reiner, der neben mir geschnarcht hatte, öffnete die Augen und trat fast den Fahrzeugboden durch. Er war ausser sich und fragte mich entsetzt, warum ich nicht gebremst hätte. Und das, wo ich so stolz auf meine Reaktion war und es auch jetzt noch bin. Vor allem, als im Juli dieses Jahres von einer Massenkarambolage in Montana mit sechs Toten und mehreren Verletzten wegen eines Sandsturms zu lesen war.
Todmüde kamen wir im Best Western Plus Inn of Williams an. Das Hotel liegt westlich von Williams auf einer kleinen Anhöhe an der Route 66. In der Lobby gab es eine Kaffeemaschine, die verschiedene Kaffeevariationen zauberte. Kleinere und grössere Kachinas zierten die Flure. Das war eines der schönsten, wenn nicht gar das schönste Hotel unserer Reise. Früher war das bestimmt ein eigenständiges Hotel, denn es hatte nichts mit den Best Western gemeinsam, die wir kannten.
Um nicht mehr wegfahren zu müssen, gingen wir fürs Abendessen ins hauseigene Western View Steakhouse. Mit Suppe, Steaks, Dessert und einem guten Tropfen in schönem Ambiente beschlossen wir den heutigen Tag.
die bären sind los
Das Frühstück im Restaurant war ausgesprochen gut und das Personal sehr nett. Es gab richtiges Geschirr und die Tische wurden abgeräumt. Meist stellten die Gäste wohl aus Gewohnheit ihre Teller und Tassen auf den Servicewagen. Der Angestellte goutierte dies jeweils mit einem herzlichen Lächeln und einem Dankeschön, obwohl seine Ordnung damit durcheinandergebracht wurde.
Auf den nun folgenden Programmpunkt hatte ich mich schon lange gefreut: Wir statteten Bearizona einen Besuch ab. Wir zahlten den Eintrittspreis, verneinten die Fragen nach Kindern und Haustieren und hörten uns die Parkregeln an.
Der Wildtierpark bestand aus der Bearizona Drive-Thru Area und der Fort Bearizona Walk-Thru Area. Wir starteten mit dem Drive-Thru, wo uns Rocky Mountain Goats erwarteten. Diese weissen, zottligen Bergziegen hatten wir leider noch nie in Natura entdecken können. Anschliessend fuhren wir an Rentieren, Pronghorns, verschiedenen Hirschen und Burros vorbei, bevor es zu einem der Highlights ging, den Alaskan Tundra Wolves und den Arctic Wolves. Dies war der Bereich, wo die Fensterscheiben hochgedreht werden mussten. Wer dies nicht tat, wurde per Lautsprecher darauf hingewiesen. Die Alaska-Tundra- und die Polarwölfe waren durch einen Zaun getrennt, was mir bisschen leidtat, aber vermutlich wollte man aus Zuchtgründen die beiden Gattungen nicht vermischen.
Zwischen den einzelnen Gehegen war ein Wildrost. Es rumpelte jedes Mal beim Überfahren der Eisenstäbe, aber dies ermöglichte eine Durchfahrt ohne Tore oder gar Schleusen und die jungen Schwarzbären, die nach den Wölfen kamen, waren von diesen getrennt. Weisse und amerikanische Bisons waren im Anmarsch, als die Wasserdusche sie erschreckte. Sie hatten einige Junge, die übermütig herumhüpften oder miteinander kämpften.
Bevor es zum Schluss der Rundfahrt zu den alten Schwarzbären ging, hockten noch Rocky Mountain Bighorn Sheeps auf einem Felsen. Das coolste waren aber die namensgebenden Bären, die in grosser Anzahl vorhanden waren. Die einen schliefen in Baumstämmen, andere darauf, wieder andere nahmen ein Bad im Teich oder rieben ihren Rücken an einem Baumstamm. Es machte Spass, die Tiere zu beobachten. Irgendwann waren wir dann beim Parkplatz angelangt, doch wir hatten noch nicht genug und fuhren die Runde nochmals. Das durfte man so oft man wollte – solange man den Wildpark nicht verliess.
Bei der zweiten Runde entdeckten wir ein junges Bergzicklein, das sich – wie wir viel später auf Fotos erkennen konnten – beim ersten Durchgang hinter der Mutter versteckt hatte. Auch die anderen Tiere, allen voran die Bären, boten uns einen anderen Anblick als beim ersten Mal. Nach einem ausgiebigen Beobachten der Schwarzbären parkierten wir das Auto und gingen in den Walk-Thru-Bereich.
Als erstes besuchten wir die Otter, doch die lagen bloss faul rum. Im Big Bear Gift Shop waren zwei Angestellte dabei, einen kleinen Fuchs zu rufen. Der eine stand im oberen Geschoss und eine Frau mit einem Kistchen auf der Treppe. Das Füchschen rannte die Treppe runter und wieder rauf, um anschliessend doch noch in die Box zu verschwinden. Die Frau machte die Besucher, die sich nach und nach um die Treppe versammelt hatten, darauf aufmerksam, dass bald eine Show in der Main Stage folgen würde.
Wir schauten uns den Jaguar an, der aber wie die Otter müde war. Am Ende dieses Weges ästen ein paar Hirsche, dann drehten wir um. Der Jaguar war inzwischen aufgestanden, aber viel konnten wir von ihm nicht sehen. Der Rotluchs (engl. Bobcat) war ausgeflogen, dafür konnten wir die Grizzlybären und Javelinas gut beobachten. Als wir die Runde am Bauernhof, dem Rotfuchs, dem Dachs und einem weissen Pfau vorbei beendet hatten und beim Bearizona Grill ankamen, war die Show bereits am Laufen. Wir setzten uns an einen Tisch mit einem Sonnenschirm, denn die Mittagssonne brannte intensiv auf unsere Köpfe. Von da aus hatten wir einen guten Blick auf die Show und konnten etwas Erfrischendes trinken.
Nun war es Zeit für? Für eine weitere Runde durch den Drive-Thru-Bereich. Inzwischen waren mehr Autos im Park unterwegs, aber das hinderte uns nicht, noch ein paar Runden zu drehen und immer wieder Neues zu entdecken wie zum Beispiel die Bären, die auf den Bäumen sassen. Nach sechseinhalb Stunden hatten auch wir genug und fuhren zum Hotel zurück, um anschliessend im Frontier Familiy Restaurant Brisket zu essen, welches nicht an das von Sedona herankam.
Damit waren die Abstecher links und rechts der Route 66 beendet. Ab morgen widmen wir uns wieder der Mother Road.
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