on the road again
Wir schauten ihnen nicht lange zu, sondern holten unser Gepäck und verliessen das Hotel Richtung Bisbee. Das Städtchen war sehr hübsch, aber wir konzentrierten uns auf die Copper Queen Mine am Stadtrand. Im Nachhinein bereuten wir es, uns nicht mehr Zeit für einen Spaziergang durch die Gassen genommen zu haben.
Wir folgten der AZ-80 bis Douglas, eine Kleinstadt, die an der mexikanischen Grenze lag. Die Häuser gefielen mir, aber als wir den Grenzzaun zu Mexiko sahen, beschlich mich ein seltsames Gefühl. Die Vorstellung, dass eine hohe Mauer oder ein mit Stacheldraht besetzter Zaun die Grenze darstellte, war für mich unglaublich. Es erinnerte mich an die Mauer zwischen West- und Ostdeutschland, die ich allerdings erst nach der Wende das erste Mal gesehen hatte.
Mit Erreichen von New Mexiko war es auf einen Schlag eine Stunde später. Wir verliessen die AZ-80, die inzwischen zur NM-80 mutiert war und fuhren auf der NM-8 durch Animas, das aus ein paar Häusern und sonst nichts bestand. In Hachita hoffte ich auf eine Toilette, doch mehr als ein paar dem Verfall unterworfene Häuser gab es da nicht mehr. Meine Blase drückte und weil die Chance auf ein Klo auf einem US-Highway deutlich grösser war, bogen wir ab, um auf die US-80 zu gelangen. Ich hielt es kaum mehr aus, da kam die rettende Rest Area, die zu meinem Erstaunen auch noch sehr sauber war.
In Deming gingen wir ausnahmsweise in einen McDonalds. Wir bestellten und die Bedienung fragte uns, woher wir kämen. Aus der Schweiz. Wirklich aus der Schweiz? Sie konnte es kaum glauben und ich fühlte mich wie ein Alien. Sie kam an unseren Tisch, fragte, ob es uns auch zu kalt sei, sie könne die Klimaanlage nicht regulieren, die werde aus der Ferne gesteuert. Ein anderes Mal kam sie, um zu fragen, ob alles okay sei, und ein drittes Mal wollte sie wissen, wie wir ausgerechnet hierher kämen. Sie unterhielt sich mit der Putzfrau und als diese zu uns schaute, wusste ich, dass sie ihr die unglaubliche Geschichte der Schweizer im McDonalds von Deming erzählt hatte.
Vor dem Einchecken in Las Cruces statteten wir der Recycled Roadrunner Sculpture einen Besuch ab. Der riesige Vogel aus ausrangierten Gegenständen wacht über die I-10. Erst hatte er auf der Mülldeponie Las Cruces Foothills gestanden, um auf die Konsumgewohnheiten, die Kraft des Recyclings und darauf aufmerksam zu machen, wie viel auf die Mülldeponie geworfen wurde. Der massive Roadrunner war dann auf die Raststätte westlich von Las Cruces auf der I-10 umgesiedelt worden. Die Skulptur ist satte sechs Meter hoch und besteht aus alten Schuhen, Handys, Fahrradteilen und anderen recycelten Materialien.
hat’s geschneit oder was?
Nach einer kurzen Ruhepause ging es wieder auf die Piste. Bevor wir über den San Augustin Pass fuhren, besorgten wir uns im Sprouts Farmers Market unser Abendessen. Der Laden hat sich ähnlich wie Whole Foods Market auf gesunde Lebensmittel spezialisiert. Entsprechend attraktiv waren die Einrichtung und die Präsentation der Produkte. Wir hielten uns nicht lange darin auf, denn unser Ziel war der White Sands National Park, der gut 80 Kilometer nordöstlich von Las Cruces liegt. Ein paar Meilen vor dem Parkeingang hielten wir an einem US-Border Patrol Checkpoint. Amerikaner? Nein, aus der Schweiz. Visa? ESTA! Ah, ESTA-Visa – gute Fahrt!
Eine junge Rangerin hatte Dienst am Eintrittshäuschen des Parks. Reiner wollte den Nationalparkpass zeigen, aber den hatte sie bereits am Spiegel hängen sehen und den Pass wollte sie im Gegensatz zu den meisten anderen Parks nicht sehen. Sie war sehr süss und winkte uns zum Abschied zu.
Ich war äusserst gespannt, was uns erwarten würde, denn auf Bildern ist die Natur nie so, wie wenn man sie live vor Augen hat. Erst war ich fast ein bisschen enttäuscht. Anstelle von weissen Dünen wuchsen Grasbüschel mit bisschen Sand dazwischen. Je weiter wir kamen, desto mehr verschwand die Vegetation und je weisser wurde die Landschaft. Es sah aus, als ob es geschneit hätte. Die Strasse, die in einem Loop endete, war mit festgefahrenem Sand bedeckt. Das Abendlicht tauchte die Gegend in weiches Licht. Viele überdachte Picknicktische luden zum Verweilen ein. Wir assen unsere Salate, während wir den Sonnenuntergang beobachteten.
Weil gestern Vollmondnacht war, hatte der Park bis 23:00 Uhr statt wie üblich bis 21:00 Uhr geöffnet. Das war der Grund, weshalb wir trotz der vielen Meilen auf dem Buckel den Weg noch auf uns genommen hatten. Doch nun spürten wir die lange Fahrstrecke in den Knochen, deshalb verliessen wir den Park und überliessen den Mond den anderen Gästen.
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