Saguaro National Park West
Saguaro National Park West

USA 2022 - 07 tucson - las cruces

In dieser Etappe erwarteten uns herrliche Landschaften, die Nationalblume Arizonas, eine Kirche, viel Natur, eine wilde Schiesserei und eine Mondfinsternis. Zum Schluss fragten wir uns: Hat es geschneit?

lehrgeld bezahlt

Reiner bestellte zum Frühstück einen Toast mit Avocado von der Rückseite der Karte, das waren ihm die zwei Dollar Aufpreis wert. Ich wählte wieder eines der im Bon enthaltenen Gerichte. Als die Rechnung kam, traf uns fast der Schlag. Statt zwei kostete Reiners Extrawurst rund 14.50 Dollar. Ja klar – «2$ off» hiess zwei Dollar Rabatt und nicht zwei Dollar Aufpreis zum Gutschein! Das war klar unser Fehler.

mount lemmon highway

Gut 25 Kilometer nordöstlich des Hotels beginnt der Mount Lemmon Highway, auch bekannt als Sky Island Scenic Byway, Catalina Highway oder Arizona Forest Highway 39. Es ist die einzige asphaltierte Strasse, die Zugang zum Ferienort Summerhaven sowie zu verschiedenen Freizeit- und Wissenschaftseinrichtungen in der Nähe des Gipfels des Mount Lemmon bietet. Der Mount Lemmon ist mit 2792 Metern der höchste Gipfel der Santa Catalina Mountains. 

Wir stoppten bei den zahlreichen Vista-Points und genossen grossartige Ausblicke, ausgefallene Felslandschaften, kühle Gebirgswälder und tiefe Schluchten. Die Strasse begann in der vegetativen Zone von Lower Sonora führte zu den hohen Wäldern der kanadischen Zone hinauf. Auf nur 27 Meilen (45 Kilometern) wechselte die Vegetation wie auf einer Fahrt von den Wüsten Mexikos zu den Wäldern Kanadas.

Fast jede Kurve den Berg hinauf enthüllte etwas Neues. War es hier eine Ansammlung von Bäumen, Sträuchern und vereinzelt ein paar Wildblumen, gab es da bizarre Felsformationen. Bei einem Aussichtspunkt mit einem breiten Panorama in die Weite, ging ich ein paar Schritte, um noch eine andere Perspektive zu sehen, da kam mir ein Mann entgegen. An jeder Hand hielt er einen grossen Hund an der Leine. Der eine steuerte direkt auf mich zu und schnupperte an mir. Die Worte «they are friendly», konnten mich nicht ganz überzeugen. Als der Hund von mir abliess, ging er rechts an mir vorbei, während der andere die linke Seite wählte – vor mir stand der Ranger und hob die eine Leine über mich hinweg. Mit einem Lachen oder einem dummen Spruch hätte der Ranger die Möglichkeit gehabt, die peinliche Situation zu entschärfen, aber er war wohl einer der humorlosen Sorte und Hunde erziehen schien auch nicht seine Stärke gewesen zu sein. 

 

Im Mt. Lemmon General Store holten wir uns Getränke und Knabberzeugs mit dem Ziel, irgendwo beim Mount Lemmon Sky Center Observatory zu picknicken. Die Strasse hoch zum Observatorium war jedoch gesperrt, weshalb wir uns auf der Rückfahrt ein schattiges Plätzchen suchten. Der gewählte Picknickplatz lag mitten im Wald und ich fröstelte leicht - durch die Höhe war es ziemlich kühl. Vögel pfiffen, sonst war es ruhig und idyllisch. Ein Ranger kam, kontrollierte die Mülleimer und die Toiletten. Danach hatten wir den Coronado National Forest wieder für uns.

Anschliessend an diese schöne Ausfahrt holten wir im Hotel unsere Dreckwäsche und fuhren zu einer Coin Less Laundry. Etwas ratlos stand ich am Automaten. Wie funktionierte das hier? Ach, wir mussten eine Karte beziehen und Geld darauf laden. Als das erledigt war, funktionierte das Waschen und Trocknen einwandfrei. Die sauberen Kleider legten wir ins Zimmer zurück, das noch nicht gemacht worden war, dann fuhren wir Richtung Westen zum Saguaro National Park.


saguaro west und picknick bei sonnenuntergang

Wir fuhren von Tucson aus über den Gates Pass und am Arizona-Sonora Desert Museum vorbei in den Park. Die 10 Kilometer lange Bajada-Schleife begann zwei Kilometer nordwestlich vom Red Hills Visitor Center, das bereits geschlossen war. Die Rundfahrt führte auf einer nicht asphaltierten, aber gut befahrbaren Strasse durch einen dichten Saguaro-Wald.

Beim Valley View Overlook Trail hielten wir für eine Fotosession an. Eine kurze Wanderung führte uns an zahlreichen Saguaros vorbei und über den Bajada Wash. Die weisse, wachsartige Blüte des Saguaros ist die Staatsblume von Arizona. Sie öffnet sich etwa zwei Stunden nach Sonnenuntergang und bleibt bis zum Mittag des nächsten Tages geöffnet. Viele Knospen warteten darauf, ihre Schönheit zu entfalten.

Auf der Weiterfahrt begegneten wir langbeinigen Hasen und scheuen Hirschen. Gerne hätten wir den Sonnenuntergang im Park erlebt, aber es hiess, dass die Tore dann schliessen würden und wir befürchteten, im Auto übernachten zu müssen. Vermutlich war die Angst unbegründet, trotzdem verliessen wir den wundervollen Nationalpark und parkierten auf dem Weg zum Gates Pass, um dort unser Picknick zu geniessen, während die Sonne hinter dem Horizont verschwand. Wir hörten eine Katze schreien. War das der Ozelot oder der Bobcat im in der Nähe liegenden Museum?

Auch hier gab es eine Tafel, die verkündete, dass die Tore nach Sonnenuntergang geschlossen würden. Da aber noch ein paar weitere Autos auf dem Parkplatz standen und das Tor nicht weit entfernt war, erwarteten wir, dass es erst nach einem Kontrollgang geschlossen würde. Niemand kam, die Tore blieben offen und wir verliessen den Platz für eine Mütze Schlaf im Hotel, wo heute unser Zimmer vom Housekeeping ausgelassen worden war.

noch ein desaster

Bevor ich die Augen schloss, checkte ich noch die E-Mails. Oh, eine wichtige Nachricht von Booking.com. Die Unterkunft in Albuquerque sagte uns eine Woche vor Ankunft ab, weil sie überbucht seien. Als Alternative wurde uns ein 2-Sterne-Hotel in Midtown mit einer Bewertung von 7 von 10 Punkten angeboten. 

Ich ärgerte mich sehr, hatte ich mich so auf diese Location gefreut. Wir hätten einen grossen Bungalow in einer Anlage mit einem wunderschönen Garten mitten in Old Town gehabt. In meinen Träumen hatte ich ausgemalt, in diesem Garten zu sitzen, zu lesen und zu relaxen. Warum darf das Hotel so kurzfristig stornieren, wir als Gäste hätten dies jedoch nur bis vor einer Woche kostenfrei tun können? 

Die angebotene Alternative wäre halb so teuer gewesen und Mehrkosten wären vom Hotel übernommen worden, aber uns gefiel die Gegend und das Hotel nicht, deshalb buchten wir ein Motel an der Route 66. Auch dieses kostete nur die Hälfte, hatte aber keinen hübschen Aussenbereich und war nicht kostenfrei stornierbar. In Anbetracht der Tatsache, dass wir in einer Woche anreisten und die Frist für die kostenlose Stornierung beim anderen Ort bereits verstrichen war, gingen wir das Risiko ein. Ich hoffte, dass wenigstens die Anzahlung für eine Nacht ohne nachzuhaken rückvergütet würde.


wo sind die javelinas?

Seit mir in der Reisevorbereitung die Javelinas begegnet waren und ich Bilder davon in einer Facebook-Gruppe gesehen hatte, war der Wunsch gross, diese kleinen Schweinchen in freier Wildbahn zu beobachten. Beim Frühstück fragte Barbara, die Inhaberin des Bumsted’s, weswegen wir hier wären. Spontan antwortete ich, dass wir Javelinas sehen wollten. Ah, wir seien hier in den Ferien. Genau! Ich fragte mich, was man sonst hier tun konnte und sie, ob sie wisse, wo man Javelinas finden würde. Sie wusste es nicht, holte aber ihren Mann Scot, der am Herd stand und das gute Frühstück zubereitete.

Er erklärte lang und breit, wo die Chance am grössten war, auf diese Tiere zu treffen, dass wir dafür aber früher aufstehen müssten, die seien vor Sonnenaufgang aktiv. Aber wenn es doch erst ab halb sieben Frühstück gab?! Barbara meinte, wir könnten ja erst in den Park und dann zum Frühstück hierherkommen. Oder wir könnten für zwei Dollar «off» Lunch oder Dinner haben, so wie es Reiner gestern beim Frühstück gemacht habe. 

Scot gab uns noch viele Tipps, was wir alles besichtigen sollten. Den Sabino Canyon, die Missionskirche San Xavier de Bac und natürlich Bisbee müssten wir uns unbedingt vornehmen. Bei Bisbee kam er nicht mehr aus dem Schwärmen hinaus. Ja, diese Stadt stände bei uns auf dem Programm, aber erst im späteren Verlauf der Reise.

Als wir beim Red Hills Visitor Center ankamen, hatte dieses bereits geöffnet. Wir schauten uns die Ausstellung an, stöberten im Shop und erstanden je ein Käppi. Nachdem ich mein Büchlein abgestempelt hatte und wir gehen wollten, kam eine Durchsage, dass in zwei Minuten der Film beginnen würde. Den liessen wir uns nicht entgehen. Nur eine Handvoll Leute sahen sich die interessanten Ausführungen an. Am Schluss der Vorführung fuhr die Leinwand hoch und ein riesiges Panoramafenster kam zum Vorschein, dahinter lag die wundervolle Landschaft des Nationalparks. Ich war von den Socken und auch den anderen Besuchern entfuhr ein erstauntes «Wow». Das war wirklich grosses Kino! 

Wir fuhren den Bajada-Loop und spazierten den Valley Overlook Trail, um zu sehen, ob sich in der Nacht die Knospen der Saguaroblüte unseres Lieblingskaktusses geöffnet hatten. Einige Blüten strahlten in ihrer vollen Pracht, andere Knospen hatten sich dort gebildet, wo gestern nur kleine Knubbelchen zu sehen gewesen waren. Tiere konnten wir erwartungsgemäss keine mehr erspähen, dafür stand die Sonne viel zu hoch.


man muss flexibel sein

Für den weiteren Tagesverlauf stellten wir uns vor, zur Missionskirche Xavier de Bac im Süden der Stadt zu fahren, anschliessend im Saguaro National Park East zu picknicken und uns zum Schluss den Sabino Canyon vorzunehmen. Wir programmierten diese Wegpunkte ins Navi ein und fuhren gut gelaunt so, wie es die Trulla in ihrem lustigen Denglisch vorschlug. Unterwegs versorgten wir uns noch mit Salaten, Tomaten und Früchten. Das sieht nach Picknick aus, meinte die Kassierin zwinkernd. Genau das ist der Plan, gaben wir lachend zurück!

Irgendwann fand ich, dass wir schon ziemlich lang unterwegs waren und als wir nur noch ein paar Meter von der Kirche entfernt waren, wunderte ich mich, dass nicht einmal die Spitze eines Turmes zu sehen war. Oh, das war gar nicht die Kirche. Das Navi hatte die ersten beiden Punkte unterschlagen und uns gleich zum Sabino Canyon geführt. 

Der grosse Parkplatz war halbleer. Wir schauten uns im Visitor Center um, aber die Hälfte war wegen Bauarbeiten gesperrt. Auch das Tram, das uns in den Canyon hätte führen sollen, fuhr nicht, weil irgendwo unterwegs die Strasse neu gemacht wurde. Hmmm, was nun? Zum Wandern war es uns zu heiss und für ein Picknick war der Parkplatz zu wenig attraktiv. Während wir uns berieten, schritt ein Roadrunner an uns vorbei. Der Wegekuckuck oder auch Grosser Rennkuckuck, wie der grosse Vertreter der Kuckucksvögel auch genannt wurde, hatte sehr lange Beine und tat seinem Namen alle Ehre: Er rannte an den Autos vorbei und verschwand aus meinem Blickfeld.

mittagessen mit besuch

Die Diskussion endete mit dem Entschluss, für das Mittagessen in den Saguaro Ost zu fahren. Ohne uns um die schöne Natur zu kümmern, steuerten wir direkt den Javelina-Picknickplatz an. Es war schon spät. Die anderen Gäste hatten den Platz bereits verlassen oder waren daran, zusammenzupacken. Wir genossen die vielen Vitamine, die wir gekauft hatten und beobachteten zwei Streifenhörnchen, die abwechselnd herkamen und wieder wegrannten. 

Frisch gestärkt fuhren wir zurück zum Rincon Mountain Visitor Center, das sich ausserhalb des Parks befand. Ich wollte eine Auskunft, aber der Ranger war gerade besetzt. Eine junge Ranger-Anwärterin bot ihre Hilfe an. Ich fragte nach der Öffnungszeit des Tores im Westteil des Parks und sie antwortete mit «Sonnenaufgang». Um sechs Uhr oder wann genau das wäre, wollte ich wissen. Das konnte sie nicht beantworten und störte den Ranger in seinem Gespräch. Die Gates würden um fünf Uhr öffnen. Das war uns früh genug, dankend verabschiedeten wir uns und fuhren nochmals den Cactus Forest Loop Drive. Landschaftlich war dieser Teil durch seine hohen Erhebungen und steilen Steigungen sehr attraktiv, aber die Saguaros standen im Gegensatz zum Westteil nicht in Blüte, weshalb wir letzteren schöner fanden.

eine kirche, eine mission

Wie geplant, wenn auch nicht in der Reihenfolge, statteten wir der Mission San Xavier del Bac (spanisch: La Misión de San Xavier del Bac) zirka 16 Kilometer südlich der Innenstadt von Tucson einen Besuch ab. Der Eingang war kunstvoll mit weissem Stuck verziert. Die massiven, geschnitzten Holztüren führten in den kühlen Innenraum, wo noch Maskenpflicht herrschte. Eine Nonne machte Gäste, die sich nicht daranhielten, darauf aufmerksam. Schnitzereien, Fresken, Statuen Gemälde in schillernden Farben zeigten eine Mischung aus neuspanischen und indianischen Motiven.

Im Gegensatz zu den anderen spanischen Missionen in Arizona wird San Xavier immer noch aktiv von Franziskanern geleitet und dient weiterhin der einheimischen Gemeinschaft, von der sie erbaut wurde. Die Franziskanerinnen der Christlichen Nächstenliebe, die seit 1872 an der Schule lehren, setzen ihre Arbeit fort und wohnen im Missionskloster. 

Die Mission gilt weiterhin als das schönste Beispiel spanischer Kolonialarchitektur in den USA und beherbergt jedes Jahr etwa 200'000 Besucher. Ausserhalb der Gottesdienste ist die Kirche täglich für die Öffentlichkeit zugänglich.

von amis, polen und schweizern

Den Schluss des Tages verbrachten wir am Hotelpool. Eine Frau mit einem etwa siebenjährigen, Mädchen legte sich auf einen der Liegestühle. Beide hatten rotblonde Haare und sahen sich sehr ähnlich. Die Kleine plantschte im Wasser und freute sich riesig, als ihr Vater hinzukam, um mit ihr herumzutollen. Er sprach mit ihr eine Sprache, die ich nicht zuordnen konnte. Ein junger, rotblonder Mann gesellte sich zu der Familie. Er konnte unmöglich der Sohn sein, dafür war die Frau zu jung.

Als wir uns ein Bad im Whirlpool gönnten, gesellte sich der Vater der Kleinen hinzu und fragte uns nach unserer Herkunft. Er war ursprünglich Pole, lebte aber schon seit seiner Kindheit in den USA. Wir wechselten etwas später vom Sprudelbad zum Pool, wo auch die polnisch-amerikanische Familie ihren Spass hatte. Die Frau kam auf uns zu und fragte, was Schweizer denn hier täten. Wir befänden uns auf einem Roadtrip. Und dann würden wir ausgerechnet hier landen? Sie seien wegen der Graduation ihres Bruders hier. Dieser wohne gleich nebenan in der Nähe der Universität. Heute wollten sie feiern und morgen sei die offizielle Zeremonie. Sie kamen aus Washington, ganz oben an der kanadischen Grenze, aber nicht westlich bei Seattle, sondern aus einem kleinen Kaff im Osten des Staates. Dort seien sie republikanisch, betonte sie mehrmals. Ich beherzigte den Tipp, nicht über Politik zu diskutieren und wechselte das Thema. 

Der Pole erzählte seiner Familie, dass jeder Schweizer eine Waffe zu Hause habe und die Schweiz voller Bunker sei. Ich hatte keine Lust, über unser Milizmilitärsystem oder über die Pflicht zum Bau von Luftschutzkellern zu sprechen, deshalb witzelte ich, dass es nicht nur Bunker, sondern auch Banker in der Schweiz gäbe. Das war dann das Thema für den jungen Studenten, der sich mit Wirtschaft auskannte.


der frühe vogel…

Um 4:00 Uhr klingelte Reiners Wecker. Mit halb geschlossenen Augen öffnete er die Tür zum Bad und staunte nicht schlecht, als es bereits besetzt war. Eine halbe Stunde später waren wir auf dem Weg und kurz nach fünf passierten wir das Gate zum Bajada Loop. Das Tor war bereits geöffnet oder gar nie geschlossen worden. Die Dämmerung hatte eingesetzt und tauchte die Umgebung in blaues Licht. Ganz langsam, fast im Schritttempo, schoben wir uns entlang des Weges und sperrten die Augen auf, ob wir irgendwo ein Wildtier erspähen konnten. Ausser ein paar Hasen war nichts mit Tieren. 

An einer Haltebucht stand ein Wohnmobil mit geöffneter Heckklappe. Eine junge Frau mit Rastalocken und eine zweite Person in eine Decke eingemummelt, lagen im Innern. Sie grinste und winkte uns fröhlich zu. Der Morgen war noch sehr frisch. Langsam ging die Sonne auf und die Saguaros erstrahlten in goldenem Licht. 

Vielleicht hatten wir bei der zweiten Runde mehr Glück mit Wild? Aber auch da war das einzige Lebewesen die junge Hippiefrau, die inzwischen in einem Campingstuhl hinter dem Wohnmobil sass, ein Buch las und uns erneut beim Vorbeifahren zuwinkte. Ein letztes Mal schauten wir beim Valley Overlook Trail nach «unserem» Saguaro und wieder hatte er sich verändert. Wir gingen noch etwas weiter und beim Rückweg begegnete uns ein seltsamer Typ. Er drehte einen Moment später um und holte Stativ sowie eine Fotokamera aus dem Auto. Dann fotografierte er «unseren» Kaktus. Anscheinend war dieser nicht nur uns aufgefallen.

Es reichte noch locker für das Frühstück. Diesmal bediente uns eine junge Frau. Sie fragte, ob es uns in Bisbee gefallen hätte. Ich war verwirrt. Wie sie auf Bisbee komme, da meinte sie mit einem Nicken in Richtung des Kochs, dass er ihr erzählt habe, dass wir nach Bisbee wollten. Ach so, ja, aber erst später.


tohono chul

Als nächstes Ziel steuerten wir den Tohono Chul Park im Norden der Stadt an. Das war ein botanischer Garten, ein Naturschutzgebiet und ein Kulturmuseum in Casas Adobes, einem Vorort von Tucson. Die Worte «Tohono Chul» bedeuten übersetzt «Wüstenecke» und sind der Sprache der Tohono O’odham, den Ureinwohner des südlichen Arizonas, entlehnt. Die Mission von Tohono Chul ist es, Menschen mit der Natur, Kunst und Kultur der Region der Sonora-Wüste zu verbinden und zu einem weisen Umgang mit der Natur zu inspirieren. 

Bereits vor dem Eingang bot ein älterer Ranger uns seine Hilfe an. Er fragte uns nach unserem Ziel. Ähm, wir wollten uns einfach alles anschauen. Okay, falls wir Hilfe bräuchten, ständen uns viele Mitarbeitende auf den Wegen zur Verfügung. Er warnte uns eindringlich vor Klapperschlangen. Wenn er nur wüsste, wie gross unser Wunsch war, endlich mal ein solches Exemplar in freier Wildbahn zu sehen. Aufpassen wollten wir jedoch schon, denn einen Biss konnten wir beide nicht gebrauchen.

Wie zu erwarten war, sahen wir weder eine Schlange noch ein Gila-Monster. Nur die frechen Hörnchen waren überall. Als wir schon fast wieder beim Ausgang angekommen waren, trafen wir auf eine Rangerin, die einen kleinen Rollkorpus dabeihatte, auf dem verschiedene Pflanzenteile lagen. Sie erklärte uns, wie die Ureinwohner aus den Pflanzenfasern der Saguaros Körbe geflochten hatten und wie das Gerüst eines solchen Kaktus aussah. Ausserdem zeigte sie uns noch ein Taubennest mit kleinen Täubchen gleich über uns in den Ästen des schattenspendenden Baumes, unter dem wir standen. Ein zweiter Ranger kam hinzu und erzählte, dass er schon mal in Basel war und eine Rheinfahrt bis nach Holland unternommen hatte.

 

Der Park war wunderschön, aber bei Temperaturen knapp an die 40°C hatten wir wahnsinnig grosse Lust auf ein kaltes Getränk. Leider war das hübsche Bistro nur für Gäste geöffnet, die auch etwas essen wollten. Nach dem späten Frühstück waren wir jedoch nicht hungrig, also verliessen wir den Ort und tranken unterwegs etwas.

pool und burger

Den restlichen Nachmittag verbrachten wir am Pool. Das war gemütlich, aber auch sehr heiss. Zum Glück waren Sonnenschirme aufgespannt und spendeten etwas Schatten.

Das Nachtessen nahmen wir im Bumsted’s ein. Sie sagen von sich, dass sie das angesagteste Restaurant von Tucson seien. Barbara und Scot Shuman waren früher Inhaber eines Sandwichladens namens «Bumdsted’s» in der 4th Ave. Nach dem Umzug boten sie das gleiche Menü an, hatten das Restaurant aber noch um Karaoke erweitert. Normalerweise war durch die Nähe zur Uni viel los hier, aber heute fand die Graduation Ceremony statt, weshalb keiner der vielen Studenten anwesend war.

Ich war mit meinem Portobello-Avocado-Bacon-Blue-Cheese-Burger rundum glücklich. Reiner hatte Rindfleisch in seinem Brötchen, was er ebenfalls zu schätzen wusste. Nur das Rootbeer war ein Versuch, den wir nicht mehr wiederholen wollten. Das schmeckte künstlich und war viel zu süss, aber wir hatten keine Lust auf Alkohol und Wasser tranken wir den ganzen lieben Tag lang eh schon genug.


wilde schiesserei

Noch vor dem Frühstück, an dem einige Eltern mit ihren frisch «gegradeten» Schützlingen teilnahmen, erstand ich «Wyatt Earp Compo»-Tickets für den Old Tombstone Western Theme Park. Wir wählten den Weg über den Sonoita Mountain View Highway. Beim Helvetia Lookout überkamen mich wegen des Namens Heimatgefühle, die gleich wieder verschwanden, als es irgendwo in der Nähe knallte. Seltsam, die Schiesserei sollte doch erst in Tombstone stattfinden.

Wir kamen just einen Moment, bevor die Schiesserei losging, beim «Helldorado Gunfight Theater and Restaurant» an. Die Schattenplätze waren bereits gut besetzt während in der Sonne keine Menschenseele sitzen wollte. Warum wohl? Wir quetschten uns noch an den Rand des Schattens, Reiner schräg vor mir. 

Die Show begann. Der besoffene, weibliche Marshall, der Miner und der Bad Guy agierten viel mit dem Publikum und ich amüsierte während der gesamten Dauer der Vorstellung. 

Anschliessend fuhr der Cowboy, der eben noch die Schiesserei eröffnet hatte, den Trolley. Er zeigte uns Old Tombstone und redete ohne Punkt und Komma. Kein Wunder, war er heiser oder lag das am vielen Whiskey? In «The Hitching Post Cafe» trank er allerdings nur ungesüssten Eistee. Wir genehmigten uns einen Hotdog und spazierten ein bisschen in dem alten Städtchen herum.

 
 

zimmer mit aussicht

Obwohl wir noch zwanzig Minuten zu früh dran waren, versuchten wir bereits im Hotel einzuchecken. Ein Auto stand in der überdachten Einfahrt, wir traten in die unbesetzte Rezeption ein und setzten uns auf ein Sofa. Eine kleine, zierliche Frau indianischer Abstammung betrat den Raum und raunzte uns zu, dass das Check-In erst um drei sei. Ich fragte, ob wir nicht hier drin warten dürften, draussen sei es so heiss. Widerstrebend willigte sie ein und verschwand. Der Mann aus dem Auto kam ebenfalls herein und setzte sich in einen Sessel. Die Frau erschien, erledigte etwas an der Rezeption und verschwand wieder. Sowohl wir wie auch der andere Gast taten sehr unbeteiligt, um ihr zu signalisieren, dass wir sie nicht stressen wollten. Punkt drei fragte sie, wer zuerst dran sei. Keine Ahnung – der Mann war früher, aber draussen und wir früher drinnen. Er nahm uns die Entscheidung ab und liess sich sein Zimmer geben.

Als wir an der Reihe waren, entschuldigte sich das kleine Persönchen. Zwei Zimmermädchen seien nicht erschienen, da hätten die Besitzer herkommen und die Zimmer machen müssen. Sie seien allerdings noch nicht fertig geworden, aber unser Zimmer sei bereits parat. Sie erklärte noch die Regeln und dann bezogen wir den Raum, der schon mächtig abgewohnt war. Ausserdem waren das Klo und das Waschbecken auf die Grösse der Rezeptionistin angepasst. Dafür war die Aussicht vom hübschen Garten in die entfernten Berge unbeschreiblich schön. Nicht umsonst hiess das Hotel «Landmark Lookout Lodge». 

In diesem Garten wollten wir heute Abend unsere Kameras aufstellen, um die Mondfinsternis aufzunehmen. Vorher gingen wir noch ins Longhorn Restaurant Steaks essen. Was soll ich sagen? Mein Black Angus Prime Rib, langsam gegart, war einfach eine Wucht. Auch Reiner war happy mit seinem Ribeye. 


der mond ist aufgegangen

Wieder zurück in der Lodge mutmassten wir, wie der Verlauf des Mondes sein würde und stellten fest, dass wohl für eine ideale Aufnahme das Hausdach im Weg wäre. Kurzentschlossen packten wir das Auto und gingen auf Location-Suche. Es wurde immer dunkler und wir wurden noch nicht fündig. Auf einer grossen, bekiesten Haltebucht in der Nähe des Flughafens richteten wir das Auto Richtung Mond aus, der eben über den Horizont gestiegen war. Ich schaute, dass er sich in der linken unteren Ecke meines Displays befand und startete das Timelapse. Die unmittelbare Umgebung war voller Müll. Hoffentlich kam der nicht mit aufs Bild. 

In einiger Entfernung hielt alle paar Minuten ein Auto, um den Hund Gassi zu führen. Die meisten liessen dazu den Motor laufen, ein paar Wenige stellten ihn ab. Wenn sie beim Wegfahren in unsere Richtung kamen, blendete mich das Scheinwerferlicht. Bei einem Auto war das besonders schlimm, denn es näherte sich uns ganz langsam und drehte sich schliesslich so, dass die Fahrerseite gegen uns zeigte. Aus dem geöffneten Fenster fragte der Fahrer, ob wir Hilfe bräuchten. Wir verneinten und erklärten, dass wir den Mond fotografierten. Ah gut, es habe für ihn ausgesehen, als hätten wir eine Panne. Als er weg war, schaute ich in den Himmel. Vom Mond war nichts mehr zu sehen, die Erde stand genau zwischen ihm und der Sonne. Falls der hilfsbereite Mann nichts von der Mondfinsternis wusste, musste er gedacht haben, wir hätten sie nicht alle.

Die ganze Prozedur von sichtbar zu unsichtbar und wieder zurück dauerte unglaublich lang. Ich war hin- und hergerissen, ob ich das Timelapse abbrechen sollte oder warten, bis der Mond wieder komplett zu sehen war. Reiner, der den Mond fotografiert hatte, hatte sein Equipment bereits eingepackt. Wir warteten noch einen Moment, aber nicht bis ganz zum Schluss, bis wir zurück ins Hotel fuhren.

was für ein french toast

Am Morgen gingen wir durch die Rezeption Richtung Speisesaal und kamen an der Küche vorbei, wo die Rezeptionistin am Brutzeln war. Sie begrüsste uns sehr herzlich. Kaffee und Saft konnten wir selbst holen, die warmen Speisen bestellten wir bei ihr und sie bereitete sie frisch zu. Wir waren hingerissen ab den köstlichen French Toasts. Wie kriegte sie diese bloss so fluffig hin? Auch das Rührei war perfekt zubereitet.

Eine Familie mit sechs Kindern betrat den Speisesaal. Alle waren in alte Gewänder gekleidet. Die grösseren Kinder im Teenager-Alter meckerten, dass es kein Buffet gab. Sie fanden die Vorstellung schrecklich, ihr Essen zu bestellen und wurden ziemlich ausfällig. 


on the road again

Wir schauten ihnen nicht lange zu, sondern holten unser Gepäck und verliessen das Hotel Richtung Bisbee. Das Städtchen war sehr hübsch, aber wir konzentrierten uns auf die Copper Queen Mine am Stadtrand. Im Nachhinein bereuten wir es, uns nicht mehr Zeit für einen Spaziergang durch die Gassen genommen zu haben.

 

Wir folgten der AZ-80 bis Douglas, eine Kleinstadt, die an der mexikanischen Grenze lag. Die Häuser gefielen mir, aber als wir den Grenzzaun zu Mexiko sahen, beschlich mich ein seltsames Gefühl. Die Vorstellung, dass eine hohe Mauer oder ein mit Stacheldraht besetzter Zaun die Grenze darstellte, war für mich unglaublich. Es erinnerte mich an die Mauer zwischen West- und Ostdeutschland, die ich allerdings erst nach der Wende das erste Mal gesehen hatte.

Mit Erreichen von New Mexiko war es auf einen Schlag eine Stunde später. Wir verliessen die AZ-80, die inzwischen zur NM-80 mutiert war und fuhren auf der NM-8 durch Animas, das aus ein paar Häusern und sonst nichts bestand. In Hachita hoffte ich auf eine Toilette, doch mehr als ein paar dem Verfall unterworfene Häuser gab es da nicht mehr. Meine Blase drückte und weil die Chance auf ein Klo auf einem US-Highway deutlich grösser war, bogen wir ab, um auf die US-80 zu gelangen. Ich hielt es kaum mehr aus, da kam die rettende Rest Area, die zu meinem Erstaunen auch noch sehr sauber war. 

In Deming gingen wir ausnahmsweise in einen McDonalds. Wir bestellten und die Bedienung fragte uns, woher wir kämen. Aus der Schweiz. Wirklich aus der Schweiz? Sie konnte es kaum glauben und ich fühlte mich wie ein Alien. Sie kam an unseren Tisch, fragte, ob es uns auch zu kalt sei, sie könne die Klimaanlage nicht regulieren, die werde aus der Ferne gesteuert. Ein anderes Mal kam sie, um zu fragen, ob alles okay sei, und ein drittes Mal wollte sie wissen, wie wir ausgerechnet hierher kämen. Sie unterhielt sich mit der Putzfrau und als diese zu uns schaute, wusste ich, dass sie ihr die unglaubliche Geschichte der Schweizer im McDonalds von Deming erzählt hatte.

Vor dem Einchecken in Las Cruces statteten wir der Recycled Roadrunner Sculpture einen Besuch ab. Der riesige Vogel aus ausrangierten Gegenständen wacht über die I-10. Erst hatte er auf der Mülldeponie Las Cruces Foothills gestanden, um auf die Konsumgewohnheiten, die Kraft des Recyclings und darauf aufmerksam zu machen, wie viel auf die Mülldeponie geworfen wurde. Der massive Roadrunner war dann auf die Raststätte westlich von Las Cruces auf der I-10 umgesiedelt worden. Die Skulptur ist satte sechs Meter hoch und besteht aus alten Schuhen, Handys, Fahrradteilen und anderen recycelten Materialien.

hat’s geschneit oder was?

Nach einer kurzen Ruhepause ging es wieder auf die Piste. Bevor wir über den San Augustin Pass fuhren, besorgten wir uns im Sprouts Farmers Market unser Abendessen. Der Laden hat sich ähnlich wie Whole Foods Market auf gesunde Lebensmittel spezialisiert. Entsprechend attraktiv waren die Einrichtung und die Präsentation der Produkte. Wir hielten uns nicht lange darin auf, denn unser Ziel war der White Sands National Park, der gut 80 Kilometer nordöstlich von Las Cruces liegt. Ein paar Meilen vor dem Parkeingang hielten wir an einem US-Border Patrol Checkpoint. Amerikaner? Nein, aus der Schweiz. Visa? ESTA! Ah, ESTA-Visa – gute Fahrt! 

Eine junge Rangerin hatte Dienst am Eintrittshäuschen des Parks. Reiner wollte den Nationalparkpass zeigen, aber den hatte sie bereits am Spiegel hängen sehen und den Pass wollte sie im Gegensatz zu den meisten anderen Parks nicht sehen. Sie war sehr süss und winkte uns zum Abschied zu. 

Ich war äusserst gespannt, was uns erwarten würde, denn auf Bildern ist die Natur nie so, wie wenn man sie live vor Augen hat. Erst war ich fast ein bisschen enttäuscht. Anstelle von weissen Dünen wuchsen Grasbüschel mit bisschen Sand dazwischen. Je weiter wir kamen, desto mehr verschwand die Vegetation und je weisser wurde die Landschaft. Es sah aus, als ob es geschneit hätte. Die Strasse, die in einem Loop endete, war mit festgefahrenem Sand bedeckt. Das Abendlicht tauchte die Gegend in weiches Licht. Viele überdachte Picknicktische luden zum Verweilen ein. Wir assen unsere Salate, während wir den Sonnenuntergang beobachteten.

Weil gestern Vollmondnacht war, hatte der Park bis 23:00 Uhr statt wie üblich bis 21:00 Uhr geöffnet. Das war der Grund, weshalb wir trotz der vielen Meilen auf dem Buckel den Weg noch auf uns genommen hatten. Doch nun spürten wir die lange Fahrstrecke in den Knochen, deshalb verliessen wir den Park und überliessen den Mond den anderen Gästen. 

 

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