Alcazaba
Alcazaba

málaga, boquerones und ein malheur

Lange haderte ich, ob ich den Reisebericht hochladen sollte, doch nachdem nun einige Monate ins Land gezogen sind, veröffentliche ich, was letzten Februar passiert ist.

freitag, 9. februar 2024

Es war 4:45 Uhr, als ein Uber-Fahrer unten auf uns wartete. So früh am Morgen wäre noch kein Bus zum Flughafen gefahren.

Am EuroAirport angekommen, übergaben wir unsere Koffer dem Band und warteten im Boarding-Bereich auf den Aufruf unseres Fluges. Eine Stunde vor dem geplanten Abflug wurden wir von dort weggescheucht. Das Boarding für den Flug nach Málaga begann bereits und wir gehörten zu den ersten, die das Flugzeug betraten. Reiner und ich nahmen in der zweiten Reihe Platz, zwischen uns der Gang. Neben vielen anderen Passagieren stieg auch eine Gruppe junger Männer in Trainingsanzügen ein. Erst dachte ich an einen Sportverein, doch der Geruch nach Alkohol und Zigaretten liess mich diesen Gedanken verwerfen.

Um halb sieben sassen alle auf ihren Plätzen und um 6:41 Uhr, ganze 9 Minuten zu früh, rollten wir los. Zwei Kinder hinter uns juchzten vor Freude, als wir abhoben. Um sieben verlangten die sportlich aussehenden Jungs nach Gin Tonic. Das konnte heiter werden. Noch wurde keiner ausfällig und die Crew hatte ihren Spass mit ihnen.

Wir sassen in der Nähe der Toiletten, welche rege frequentiert wurden. Selbst, als viersprachig durchgegeben wurde, dass wir dies wegen Turbulenzen zu unterlassen hätten, konnten sich einige nicht zurückhalten, doch noch das stille Örtchen aufzusuchen. Die anderen mussten dringend nach Ablöschen des Anschnallzeichens; es bildete sich eine Warteschlange. Ein kleiner Junge schlüpfte unter den Armen der Wartenden hindurch geradewegs ins freigewordene Klo. Perplex blieb denen nichts anderes übrig, als weiter zu warten oder den Bengel vom Topf zu pflücken, was sich keiner getraute.

Kurz vor der Landung gratulierte eine der Flugbegleiterinnen über den Lautsprecher einem Passagier zum dreissigsten Geburtstag, was dieser mit einem lauten „merciii, Madaaame!“ goutierte. Die anderen stimmten „Joyeux Anniversaire» an. Anschliessend sangen sie «ich bin solo», die Kinder sangen lauthals mit - die Party hatte begonnen.

Vor uns lagen drei Wochen Spanien. Wir hatten vor, in Málaga die Sardelle zum Ende des Carnaval zu beerdigen, meinen Geburtstag in Granada zu feiern, eventuell in La Mancha gegen die Windmühlen zu kämpfen, in Valencia Paella zu essen und gemütlich der Küste entlang nach Málaga zurückzufahren.

Ausser dem Flug, dem Hotel in Málaga und einem Mietauto waren bloss noch zwei Nächte von Dienstag bis Donnerstag in einer hübschen Suite in Granada gebucht. Ich freute mich darauf, an meinem Geburtstag eine Runde in der freistehenden Badewanne zu relaxen. Dazwischen war es möglich, eine Nacht in Marbella, Ronda, Nerja oder wo wir Lust hatten, zu verbringen. Es war für mich ein Novum, fast planlos loszuziehen.

Málaga erwartete uns mit Regenwetter. Der unangenehme Teil beim Abholen des Mietautos, das Abwehren von zusätzlichen Versicherungen, meisterten wir mit Bravour. Trotzdem blieb wie jedes Mal die Furcht davor, nicht genügend geschützt zu sein.

Das Ausfahren aus dem Parkhauses eilte, sodass Reiner den Sitz nicht richtig einstellen konnte. Beim ersten Parkplatz holte er dies nach. Der grosse Parkplatz gehörte zu einem Shopping Center und in diesem gab es eine VIPS-Niederlassung, die gute Bewertungen aufwies. Wir entschieden, uns dort ein spätes Frühstück zu gönnen, denn einchecken konnten wir erst ab zwei. Der amerikanisch angehauchte Diner gefiel mir und die Tostadas sowie der Café con leche schmeckten nach Ferien.

Aussicht vom Hotel

Das Hotel Ilunion lag rund eine Viertelstunde Fussmarsch von der Altstadt entfernt. Es verfügte über eine Parkgarage, in der das Auto für 16 Euro die Nacht untergestellt werden konnte. Wir hätten auch an der Strasse parkieren können, dann wäre es am Wochenende gratis gewesen, aber wir fanden es bequemer, unser Auto beim Hotel stehen zu lassen. Die elegante Lobby und die nette Rezeptionistin hiessen uns willkommen. Wir bekamen ein hübsches Zimmer im fünften Stock, das über einen Glaslift mit Aussicht auf den Hafen erschlossen war.

Das kostenpflichtige Upgrade, um eine bessere Aussicht und eine gefüllte Minibar zu bekommen, lehnten wir ab. Das Zimmer war geräumig, sehr freundlich eingerichtet und verfügte über ein riesiges Bett.

Wegen des Regens blieben wir im Zimmer und gingen bloss am Abend in ein nah gelegenes Café eine Kleinigkeit essen und ein Glas Wein trinken.

Ein langer Tag ging zu Ende. Ich fühlte mich noch nicht richtig angekommen, was vermutlich mit dem schlechten Wetter zusammenhing. Vielleicht lag es auch daran, dass ich im Vorfeld kaum etwas geplant hatte, was für mich bei jeder Reise einen Drittel des Reiseerlebnisses ausmachte. Der zweite Drittel war die Reise an sich und der letzte die Nachbearbeitung der Fotos und das Schreiben des Reiseberichts.


 samstag, 10. februar 2024

Wie fast immer an einem fremden Ort, hatte ich schlecht geschlafen. Das lag aber nicht an Reiner, denn das Bett war so gross, dass mühelos noch eine dritte Person zwischen uns hätte liegen können. Mir war kalt, das Zimmer konnte nicht geheizt werden und ich verspürte leichte Halsschmerzen. Hoffentlich artete das nicht in eine Erkältung aus!

Die Vorhänge zurückgezogen überraschte uns der Himmel mit Sonnenschein. Es waren 13 Grad und wir zogen los zum Café Panroma, das gleich an der nächsten Strassenecke lag. Es war nicht das sauberste und netteste Lokal, das wir kannten, aber dafür war es authentisch. Hier kehrten die Spanier auf einen Café con leche und ein Mollete ein. Das war genau das Frühstück, das wir in Andalusien so liebten. Deshalb hatten wir kein Frühstücksbuffet im Hotel gebucht, obwohl dies bestimmt ausgezeichnet gewesen wäre. Zur Tostada con Tomate y Jamón bestellten wir noch je einen Orangensaft. Reiner gönnte sich einen zweiten Kaffee und ich einen zweiten Saft. Einen «Zumito?», was so viel wie «Säftchen» hiess. Ich musste lachen und als sie mir das Glas servierte, meinte sie schmunzelnd, dass sie mir einen Saft und kein Säftchen gebracht hätte. Es war auch ein anständiges Glas und schmeckte nach Sonne.

Mit dem Bus fuhren wir zur Haltestelle «Paseo del Parque – Ayuntamiento». Die Sonne schien. Ein Volksmarsch ging am Rathaus vorbei und bog zur Innenstadt ab. Was mochte das sein? Die vielen Menschen trugen unterschiedliche Fahnen mit sich wie bei einer Demonstration und andere waren mit Rucksack und Wanderstöcken bewaffnet. Keine Ahnung, wie viele es waren, es müssen aber über hundert Personen gewesen sein. Wir warteten geduldig, bis sich auch der letzte seinen Weg gebahnt hatte, dann lichteten wir das Ayuntamiento und die danebenstehenden Gebäude ab.

Statt wie erst geplant die Alcazaba anzuschauen, nahmen wir den steilen Weg hoch zum Gibralfaro unter die Füsse.

Ayuntamiento

Das Castillo de Gibralfaro ist die Ruine einer Burganlage hoch über Málaga. Zusammen mit der Alcazaba zu ihren Füssen zählt sie zu den bedeutendsten historischen Sehenswürdigkeiten Málagas.

Ich war froh, die Wanderschuhe zu tragen, obwohl der befestigte Weg auch mit Turnschuhen gut zu bewältigen gewesen wäre. Aber so hatte ich mehr Halt. Halt machten auch wir immer wieder auf dem Weg. Zum einen um zu verschnaufen und zum anderen, um die herrliche Aussicht auf den Hafen, die Stierkampfarena und die Stadt Málaga zu bewundern.

Alcazaba
Leuchtturm von 66
Ayuntamiento
Gaby und Reiner
Aussicht auf Málaga
Aussicht auf Málaga
Stierkampfarena

Oben angekommen, war das Wetter noch immer gut. Ein paar Wolken waren aufgezogen. Wir kauften Kombitickets für je 5.50 Euro für das Castillo de Gibralfaro und die Alcazaba zusammen. Nur wenige Leute standen vor uns an, um an einem der Ticketautomaten den Eintritt zu berappen.

Die Burg mit den gut erhaltenen Festungsmauern bot uns einen einmaligen Blick auf die Stadt und die Costa del Sol. Sie wurde im 14. Jahrhundert erbaut und befindet sich auf 130 Metern über dem Meeresspiegel. Leider wurde ein grosser Teil der Festung während des Krieges zwischen Spanien und Frankreich zu Beginn des 19. Jahrhunderts zerstört. Trotzdem lohnt sich ein Besuch – und sei es nur wegen der Aussicht.

Aussicht auf den Hafen
Befestigungsmauern
Ein Fotomodell
Das Resultat

Der Name erhielt das Castillo durch einen Leuchtturm, der während der Zeit der Phönizier auf dem Hügel gestanden hatte. Im Arabischen heisst es «Jbel-Faro», was übersetzt «Felsen des Leuchtturms» bedeutet. Aus diesem Begriff entwickelte sich im Laufe der Zeit der Name «Gibralfaro».

In der ehemaligen Pulverkammer informierten wir uns über die Geschichte des Castillos. Hier waren alte Rüstungen, Schwerter und Kettenhemden ausgestellt. Weiter ging es auf den Mauerzinnen. Der Weg entlang der doppelten Befestigungsmauer bot uns weitere grossartige Aussichten.

Durst löschen
Modell
Aussicht aufs Meer
Aussicht
Gibralfaro
Aussicht auf den Hafen
Aussicht auf Málaga
Gibralfaro
Es braut sich etwas zusammen
Gibralfaro
Gibralfaro

Wir hatten uns vorgängig nicht informiert und unsere Annahme, direkt zur Alcazaba zu gelangen, wurde herbe enttäuscht. Was wir auf der Festung hinuntergelaufen waren, mussten wir wieder hinauf, um beim Eingang hinaus auf den Weg, von dem wir gekommen waren, zu gelangen. Eine riesige Menschenschlange und die ersten Regentropfen erwarteten uns. Der Strom an Besuchern nahm kaum ab. Wir waren froh, bereits am Morgen hier angekommen zu sein. Auch auf dem Dock, auf dem sich «La Farola de Málaga» (der Leuchtturm), hübsche Spazierwege und Restaurants befanden, wuselten die Menschen herum.

Der steile Weg nach unten setzte meinen Knien zu. Als sich unten beim Eingang zur Alcazaba dasselbe Bild mit einer riesigen Warteschlange zeigte, verschoben wir den Besuch dieser auf später. Stattdessen steuerten wir die Markthalle an, um etwas zu essen.
Strassenkünstler
Blick auf Iglesia de San Juan
Markthalle
Markthalle
 
Paza de la Constitución

Vorher kamen wir zum Plaza de la Constitución, wo eine Bühne für den Carnaval aufgebaut war. Momentan war Kinderfasnacht. Eine Gruppe Kinder sang auf der Bühne. Ein Weilchen lauschten wir den glockenklaren Stimmen, ehe wir weiter zur Markthalle marschierten. Diese war so voll, dass kaum ein Vorbeikommen war. Schnell raus und weg, war unsere Devise.

Wir landeten im «La Cueva de 1900/Félix Sáenz». Die Preise empfanden wir für andalusische Verhältnisse als zu hoch, deshalb bestellten wir bloss ein Glas Weisswein, einen kleinen Salat für Reiner und eine ebenso kleine Suppe für mich.

Meine Suppe, die aus einer hervorragenden Brühe und ein paar Albóndigas bestand, war sehr lecker, aber natürlich war ich danach noch nicht satt. Reiner ging es mit seinen vielen grünen Blättern genauso.

Salat

Es begann zu regnen. Die Sonnenschirme schützten uns nur teilweise. Bald zahlten wir und suchten einen Ort, wo wir ein paar Tapas geniessen konnten, ohne dass das Lokal zur üblichen Siesta schloss. Diesen Ort fanden wir im «Isolina», wo uns das Ambiente genauso gefiel wie die Freundlichkeit des Kellners, der uns bediente.

Wir orderten Boquerones en vinagre, Ensaladilla con gambas und Croquetas con rabo de toro. Reiners Vermut schmeckte mir so gut, dass mein zweites Glas statt Weisswein auch Vermut beinhaltete.

Wegen des Regens gingen wir zum Hotel zurück. Auf den Bus hätten wir 18 Minuten warten müssen. In dieser Zeit schafften wir den Weg auch zu Fuss.

Eigentlich hatten wir noch zum Carnaval gewollt, aber der Regen verdarb uns die Lust dazu. Stattdessen ruhten wir im Hotel aus und in Ermangelung an geöffneten, heimischen Restaurants in der Nachbarschaft, wählten wir für das Abendessen das «Restaurante Japonés Kyoto» aus. Wir bestellten bei der herzlichen Besitzerin eine Misosuppe und Sushi. Das Essen war gut, aber nicht hervorragend. Zum Abschluss offerierte sie uns noch einen «Chupito» Sake.

Auf dem Weg ins Hotel
Sushi

sonntag, 11. februar 2024

Diese Nacht konnte ich wesentlich besser schlafen. Gut gelaunt ging es bei gar nicht mal so schlechtem Wetter per Bus zum Parque de Málaga. Im «La Canasta» herrschte Hochbetrieb. Wir bekamen gerade noch den letzten freien Tisch. Leute kamen, Leute gingen, bestellten, kauften Brot und süsse Teilchen oder warteten darauf, zu bezahlen oder einen Tisch zu ergattern. Ich behaupte, die Hälfte der Gäste war einheimisch, die andere Hälfte bestand aus Touristen. Wir assen ein herrliches Schinken-Tomaten-Olivenöl-Baguette und tranken – was sonst? – einen Café con leche und einen Zumo de naranja. Hmmm, lecker!

Wir hatten dieses Lokal zum Frühstücken ausgesucht, weil es neben dem Centro Pompidou de Málaga lag, das wir nun besuchen wollten. Kaum standen wir auf, um unsere Rechnung zu begleichen, war der Tisch wieder belegt.

Das Centre Pomidou de Málaga ist ein Museum für moderne und zeitgenössische Kunst. Das Original steht in Paris. Nach dem Centre Pompidou-Metz ist das in Málaga das zweite ausserhalb des Originals und das erste ausserhalb Frankreichs.

Auffallend ist das Gebäude «El Cubo» (der Würfel) mit den bunten Glasflächen. Geplant war ein «temporäres Centre Pompidou» für fünf Jahre. Im Frühling 2015 wurde es durch den spanischen Ministerpräsidenten Mariano Rajoy und die französische Kulturministerin Fleur Pellerin eingeweiht. Basierend auf dem Erfolg des Museums in Bezug auf die Besucherzahlen erneuerten Málaga und Beaubourg ihre Partnerschaft im Februar 2018 für weitere fünf Jahre.

Centre Pomidou de Málaga
Centre Pomidou de Málaga
Centre Pomidou de Málaga
Centre Pomidou de Málaga
Centre Pomidou de Málaga
Die Ausstellung zum Thema «Urbanität» gefiel uns ganz besonders. Die Bilder, Videoinstallationen und Plastiken rüttelten auf, zeigten die Vor- und Nachteile der Urbanisierung. Da war zum Beispiel Wim Wenders «Vacancy» vom Roy’s Motel und Café in Amboy, Kalifornien, das uns besonders ins Auge gestochen war, da wir vor zwei Jahren auf der Route 66 genau an diesem Ort vorbeigefahren waren.
Centre Pomidou de Málaga
Centre Pomidou de Málaga
Centre Pomidou de Málaga
Centre Pomidou de Málaga
Centre Pomidou de Málaga
Centre Pomidou de Málaga
Centre Pomidou de Málaga
Centre Pomidou de Málaga
Centre Pomidou de Málaga
Centre Pomidou de Málaga

Ein weiteres Ausstellungsstück, das mich emotional gepackt hatte, waren die Notizbuch-Agenden von Ettore Sottsass. Sie begannen 1974. Auf jeder Seite war ein Monat abgebildet, senkrecht die Tage. Links und rechts der Tage waren Notizen und Skizzen zu sehen. Bei den jungen Menschen heute sind Bullet Journals hoch im Kurs. Sottsass hatte bereits vor fünfzig Jahren so eine Art Bullet Journal geführt, als noch kein Hahn danach gekräht hatte.

Centre Pomidou de Málaga
Centre Pomidou de Málaga

Nach dem Museumsbesuch schlenderten wir am Pier entlang und schauten uns bei den zahlreichen Restaurants die Speisekarten an. Das eine oder andere Lokal sah sehr ansprechend aus, aber uns schienen sie eher auf die Touristen abzuzielen, als lokale Küche anzubieten. Auf einem Platz spielten Musiker Swing und eine Tanzgruppe gab eine kleine Aufführung dazu. Wir schauten ein Weilchen zu und spazierten weiter bis zum Leuchtturm. Eine Etage höher gingen wir wieder zurück. Statt der professionellen Gruppe tanzten nun die Passanten und wir schauten von oben zu. Es herrschte eine friedliche, gemütliche Stimmung und ich genoss die Atmosphäre sehr.

Leuchtturm
Swing

Wieder beim Paseo del Parque angekommen, staunten wir, wie laut die Vögel pfeifen konnten. Der wundervoll angelegte Park lud zum Verweilen ein. Einige Blumen waren bereits im Februar verblüht, andere waren im Begriff, sich zu öffnen. Wir überquerten die Strasse und tauchten in die Altstadt ein. Vorbei am Teatro Romano steuerten wir das berühmte El Pimpi an, dessen Mitbesitzer kein geringerer als Antonio Banderas war. Wie zu erwarten war, gab es eine riesige Warteschlange. Wegen der Befürchtung, dass diese mehr der Berühmtheit als der Qualität geschuldet war, zogen wir weiter. Es gab noch unzählige Tapasbars, da sollte sich etwas finden lassen.

Eine zog uns magisch an und wir fragten nach einem Tisch. Da deutete der Kellner auf die vielen Leute an der Hausmauer, die sich in die Liste eingetragen hatten. Uns schwebte eine Tapasbar vor, die gut besetzt war, aber noch genau einen freien Tisch für uns hatte. Wie bestellt, geschah genau dies im «Pez Lola Taberna Marinera». Wir nahmen an einem Hochtisch Platz. Die Einrichtung war urchig-maritim. Wir fühlten uns auf Anhieb wohl und waren überzeugt, den richtigen Ort für ein paar Tapas gefunden zu haben. Der Vermout vom Fass stimmte uns perfekt auf das Essen ein. Wir wählten die Spezialiät von Málaga schlechthin: Boquerones con Limon. Die frittierten Sardellen waren fantastisch. Ein luftig-leichter Teig umhüllte die zarten Fischfilets. Kein Vergleich zu den schweren Fischknusperli, die man anderenorts bekam.

Teatro romano
Süsses unterwegs
Boquerones con Limon
Pez Lola Taberna Marinera
Pez Lola Taberna Marinera

Nun war es Zeit, den Zauber des Carnavals zu spüren, bevor wir am Abend der Beerdigung der grossen Sardelle zum Ende dieses beiwohnen wollten. Es fing an zu tröpfeln, wie schade. Wir trotzten dem Regen und hörten mehreren Carnavalsgruppen zu, die hervorragend sangen. Kaum zu glauben, wie viele gute Sänger und vor allem Sängerinnen unterwegs waren.

Carnival
Carnival
Carnival
Carnival

Durch den Regen bildete sich auf der Naturstein-Gasse ein rutschiger Film. Ich hatte Angst auszurutschen, wie es mir kürzlich passiert war und ich mich am operierten Knie verletzt hatte. Die Physiotherapie war eben erfolgreich abgeschlossen und ich war glücklich, wieder schmerzfrei laufen zu können. Ich hakte mich bei Reiner ein, der Wanderschuhe trug und achtete vorsichtig auf jeden Schritt mit meinen Sneakers. Wir bogen in eine Gasse, wo wir ein Restaurant entdeckten, in dem wir etwas trinken wollten. Schwupps! Ich sass mit dem linken Bein ausgestreckt und dem rechten angewinkelt auf dem Boden. «Nicht schon wieder!». Mein Ausruf muss laut gewesen sein, denn vor mir drehten sich alle Köpfe um. Ein Mann, der im Begriff war, ein Haus zu betreten, eilte auf mich zu und stellte mich zusammen mit Reiner auf. Das ging so schnell über die Bühne, dass es auch ein Streich des Gehirns hätte sein können. Ich stand da und wartete, dass der Schwindel verschwand. Zum Glück schmerzte das Bein nicht annähernd so stark wie beim letzten Sturz.

«Wie geht es dem Knie?», fragte Reiner besorgt, als wir langsam in Richtung des Lokals gingen. «Es geht, aber mein Arm tut weh», antwortete ich. Wenn ich den Arm ruhig hielt, ging es, aber bewegen konnte ich ihn nicht ohne Schmerz. Ich fragte den Kellner, ob wir bloss etwas trinken dürften, denn wir waren noch satt. Er deutete auf einen freien Tisch im Inneren. Wir tranken eine Cola zum Aufputschen und entschieden, uns vor «El Entierro del Boquerón» im Hotel etwas zu erholen.

«El Entierro del Boquerón», die Beerdigung der grossen Sardelle, startet um 17:30 Uhr in der Calle Larios, führt über die Plaza de la Marina, die Avenida Manuel Augstín Heredia und gelangt weiter über den Paseo Palmeral de las Sorpresas, Muelle Uno, die Calle Vélez Málaga, die Calle Reding, die Calle Pintor Martínez Virel und schliesslich über den Paseo Marítimo Ciudad de Melilla bis zur Playa de la Malaguete. Hier angekommen, wird die Sardelle verbrannt und der Carnaval de Málaga geht zu Ende.

Nach 1.2 Kilometer Fussmarsch kamen wir im Hotel an. Der Schmerz im Ellbogen nahm zu und bald wurde klar, dass die Beerdigung ohne uns über die Bühne gehen musste. Stattdessen brachte uns ein Uberfahrer, der wegen der Feierlichkeiten im Strandbereich lange auf sich warten liess, in den Notfall eines Spitals. Die Rezeptionistin hatte uns die dazugehörige Adresse gegeben.

Die Frau am Empfang des Spitals schlug beinahe die Hände über dem Kopf zusammen, als sie hörte, dass ich aus der Schweiz kam. Sie sah wohl Schwierigkeiten auf sich zukommen. Der administrative Aufwand beinhaltete das Kopieren meiner Krankenkassenkarte und meines Passes sowie das Ausfüllen eines Formulars.

Es dauerte nicht lange und ich erklärte mein Anliegen für die Triage, dann war ich im Warteraum mit vielen anderen Notfallpatienten. Einige, vor allem ältere Herrschaften, sassen im Rollstuhl. Ein Mann in den Dreissigern sass völlig apathisch darin, die Arme ausgebreitet. Konnte er die Hände nicht bewegen? War er gelähmt? Sein Begleiter gleichen Alters regelte alles für ihn. Namen wurden aufgerufen. Manchmal nur der Vornahme, meist aber Vor- und Nachname.

«Gabriela?» Ich kam in einen Untersuchungsraum, dessen Boden voller Gips war. Zum x-ten Mal erklärte ich mein Anliegen. Die Ärzte drückten und drehten an meinem Arm. Der musste geröntgt werden. Das war klar. Wieder war Warten angesagt. Ich meinte zu Reiner, dass unsere Ferien nun wohl zu Ende wären, doch Reiner winkte ab. Ich solle erst das Untersuchungsergebnis abwarten, bis ich den Teufel an die Wand malte.

Es folgte das Röntgen, nach dem Röntgen wartete ich auf die Orthopäden. Ein Mann mit einer Platzwunde am Kopf kam von der Triage. Sein Shirt war voller Blut. Vermutlich sah es schlimmer aus, als es war.

Die Orthopäden bestanden aus einer Frau, die das Sagen hatte und einem Mann, der ihr zudiente. Mein Ehering musste ab. Einfacher gesagt als getan. Die Finger waren geschwollen, ausserdem tat der Arm weh. Die Ärztin zog und drehte am Ring. Sie bedeutete ihrem Helfer, Seife zu holen. Dieser kam mit Desinfektionsmittel zurück. Beim zweiten Mal hatte er die Seife gefunden, die grosszügig auf meinem Finger und auf dem Boden verteilt wurde. Schliesslich schaffte es die Ärztin, den Ring vom Finger zu bekommen und diesen dranzulassen.

Dann drehte sie an meinem Arm, bis ich vor Schmerzen schrie. Das musste in ganz Málaga zu hören gewesen sein. Als sie mit ihrer sadistischen Art fertig war, erklärte sie, dass ich nochmals geröntgt werden müsse, weil man meine Knochen nicht sähe. Diesmal kämen andere Einstellungen zu tragen, die sehr schmerzhaft seien, aber dafür zum Ziel führen würden.

Wir warteten wieder. Ich war sehr nervös, tat doch bereits die vorherige Behandlung weh. Der junge Mann im Rollstuhl war aus seiner Apathie erwacht. Sein Begleiter gab ihm ein Schreiben. Er konnte seine Hände bewegen, wenn auch nicht gut. So langsam wurde er ungeduldig. Er versuchte, sich mit den Füssen eine bessere Position zu verschaffen, um den Gang überblicken zu können. Dies gelang ihm nicht und sein Begleiter zeigte keine Ambitionen, ihn zu unterstützen.

Beim Röntgen waren sie ratlos. Sie hätten mich doch bereits durchleuchtet. Ob ich nicht beim Arzt gewesen sei? Doch, aber sie könnten meine – was heisst «Knochen» auf Spanisch? – «Bones» nicht sehen. Sie verstanden mich - nicht aber die Situation und erstellten nochmals dieselben Bilder wie zuvor.

Nach etwas Warten kam ich in den gleichen Behandlungsraum, wie für meine erste Untersuchung. Die Ärzte erklärten, dass der Arm gebrochen sei. Ich bekam einen Gips und eine grüne Schlinge in Form eines Sacks.

Malaga 64 von 66

Ein letztes Mal musste ich im Wartebereich platznehmen. Die Orthopäden wollten mir noch den Abschlussbericht geben, aber sie waren gerade am Operieren. Der Raum war fast leer. Nur noch zwei andere Patienten warteten auf eine Behandlung. Plötzlich herrschte Hektik. Eine Frau, die mit dem Rollstuhl hereingebracht wurde, kollabierte. Sofort war sie von Fachleuten umringt, ihre Beine wurden hochgehalten und im Rennen hoben sie sie auf ein Krankenbett und stoben davon. Zurück blieben ein leerer Rollstuhl und zwei rosafarbene Pantöffelchen.

Ich wurde wieder ins Behandlungszimmer gerufen, das von Ärzten wimmelte. Es herrschte lockere Feierabendstimmung. Der Orthopäde versuchte mir etwas mitzuteilen, aber ich konnte nicht verstehen, was er sagen wollte. Er versuchte es auf Englisch, aber sein Akzent war so heftig oder ich inzwischen so fertig, dass ich nicht mehr aufnahmefähig war. Ich bat Reiner, Google Translate oder Deepl zu starten. Reiner übergab den Ärzten sein Handy und die taten sich schwer, die Buchstaben zu finden. Die Schweizer Tastatur unterschied sich stark zur spanischen. Es wurde getippt und herumgealbert. Letztlich stand auf dem Display, dass ich operiert werden müsste. Wenn ich dies bei ihnen machen lassen würde, müsste ich bis zu 10 Tagen auf einen Termin warten. Es gäbe noch die Möglichkeit in eine Privatfirma (Privatklinik?) zu gehen oder mich in meinem Land einer Operation zu unterziehen.

Ich überlegte hin und her. «In meinem Land» klang in meinen Ohren am besten. Konnte dies drei Wochen warten? Wir waren schliesslich erst am Anfang von unseren Ferien. Ein paar Tage könnte man die Operation hinausschieben, aber auf keinen Fall drei Wochen. Trotzdem entschied ich mich für die Schweiz, auch wenn das bedeutete, früher nach Hause zu fliegen.

Rund vier Stunden nach Spitaleintritt bekam ich einen Abschlussbericht und ein Rezept für Schmerzmittel, dann warteten wir ein paar Minuten auf Uber, der uns zur Unterkunft zurückfuhr. Im Hotelzimmer angekommen, fiel mir ein, dass in Granada eine schöne Badewanne auf mich wartete, die ich mit einem eingegipsten Arm nicht nutzen konnte. Besser war es, das Hotel zu stornieren. Als ich bei Booking.com auf die Buchung tippte, bekam ich die Meldung «Sie haben noch 3 Minuten Zeit, das Hotel kostenlos zu stornieren». Es war genau 23:56 Uhr und bis 23:59 Uhr lief die Frist. Das war knapp.

Ich versuchte zu schlafen, was nicht wirklich gelang. Plötzlich war alles klar: Ich wollte so schnell wie möglich nach Hause.


montag, 12. februar 2024

Dies teilte ich Reiner am Morgen mit. Auch ihm war klar, dass unter diesen Umständen keine angenehmen Ferien mehr möglich waren. Heute würde ein Flug bereits um 9:00 Uhr gehen, das schafften wir nicht mehr, aber morgen flog EasyJet um 15:50 Uhr nach Basel. Das war perfekt. Ich buchte uns auf diesen Flug um und bezahlte die 195 Franken Umbuchungsgebühr inklusive Mehrpreis für die Tickets. Wir bekamen Plätze in Reihe zwei, wie ursprünglich gebucht. Reiner verkürzte inzwischen die Mietdauer für den Mietwagen. Die nicht gebrauchten Tage wurden anstandslos erstattet.

Daraufhin schickte ich den Bericht und die abfotografierten Röntgenbilder ans Universitätsspital Basel. Ich bat darum, mit Reiner Kontakt aufzunehmen, da ich im Ausland kein inkludiertes Roaming hatte.

Während ich an der Rezeption eine weitere Nacht buchte, rief die Oberärztin an. Ihr Vorschlag war, direkt nach der Landung über den Notfall ins Universitätsspital Basel einzutreten, wo ich dann am Mittwoch, meinem Geburtstag, operiert würde.

Zum Frühstück gingen wir um die Ecke in die Cafetería Torrú. Ich schaffte lediglich ein halbes Brötchen und ein paar Schluck Wasser. Der Gedanke an Kaffee oder gar frisch gepressten Orangensaft rief Übelkeit hervor. Unser Vorhaben, zum Abschluss etwas aufs Land zu fahren, um Mandelblüten zu sehen, verwarfen wir. Stattdessen begaben wir uns ins Hotel und hängten das «Bitte-nicht-stören-Schild» vor die Tür. Ich legte mich ins Bett, fühlte mich unwohl, setzte mich in den Sessel, fühlte mich unwohl, setzte mich aufs Bett, fühlte mich unwohl. So ging es den ganzen Tag.

Ich hatte Hunger, aber keine Lust zu essen. Reiner ging in die Stadt, um die Schmerzmittel und etwas zu Essen zu besorgen. Als er zurückkam, konnte er die Zimmertür nicht öffnen. Wir hätten die Karten für die Verlängerung neu registrieren müssen, was Reiner nun nachholte.

Für zwei riesige Packungen Schmerzmittel musste er lächerliche 2.24 Euro bezahlen und das Rezept war in der Apotheke bereits registriert. Scheinbar sind die Spitäler in Spanien mit den Apotheken vernetzt.

Ich ass etwas Reis mit Gemüse und nahm den Wechsel von Sessel zu Bett und zurück wieder auf. Der arme Reiner musste meine depressive Stimmung ertragen, aber er weigerte sich, nochmals allein loszuziehen, um ein paar Fotos zu schiessen. Lieber wollte er mich umsorgen. Auf einmal klopfte es. «Moment», rief ich und versuchte, die geöffnete Hose zu schliessen, doch da hatten die Zimmermädchen bereits die Tür geöffnet. Ich murmelte «estoy enferma», woraufhin sich die beiden entschuldigten. Das «Bitte-nicht-stören-Schild» war auf den Boden gefallen und nun wussten sie nicht, ob wir Housekeeping wollten oder nicht.

Am Abend riss ich mich zusammen und wir gingen raus, um in der Nähe eine Kleinigkeit zu essen. Leider wurden wir nicht fündig, Montag war vielerorts Ruhetag und mir ging es sehr bescheiden.

dienstag, 13. februar 2024

Ich hatte gut geschlafen und fühlte mich viel besser. Diesmal ass ich im Torrú das ganze Mollete und trank auch wieder einen Zumo zum Café con leche. Die Cafetería gefiel mir. Viele Einheimische trafen sich hier zum Frühstück in kleineren und grösseren Gruppen und das Essen schmeckte hervorragend.

Wir packten die Koffer und eine Tasche fürs Spital, die Reiner ins Aussenfach des Koffers steckte. Dann checkten wir aus und fuhren bei schönem Wetter noch etwas am Meer entlang, bis es Zeit für den Rückflug war. Mir graute vor der Sicherheitskontrolle. Nun hatte ich nicht bloss Metall im Knie, sondern auch noch Gips am Arm. Hoffentlich gingen sie sanft mit mir um.

Die Dame bei der Gepäckabgabe wollte Geld für Übergewicht des Koffers. Nicht mit uns. Reiner packte ein paar Dinge vom Koffer in den Handgepäck-Rucksack. Das Flugzeug wurde dadurch nicht leichter, aber wir behielten das Geld für die Gebühr.

Vor der Security stauten sich die Reisenden. Als ich endlich an der Reihe war, beschrieb ich der Sicherheitsbeamtin meine beiden Handicaps, die ihre Kollegin hinter dem Scanner informierte. Diese nahm mich mit einem freundlichen Lächeln in Empfang, nachdem der Scanner erwartungsgemäss gepiepst hatte. Sie tastete mich äusserst vorsichtig ab, nahm von der Schlinge einen Abstrich, der unauffällig war, und schon war die Kontrolle vorbei.

Im Giraffe World Kitchen assen wir eine Kleinigkeit. Als das Gate bekannt war, begaben wir uns dorthin und warteten nur kurz, bis das Boarding begann. Ich stieg als zweite ins Flugzeug ein und nahm am Fenster der Reihe zwei Platz. Der Flug war angenehm. Als wir uns über Lausanne befanden, ging die Sonne unter. Der Genfer-, Neuenburger-, Murten und der Bielersee spiegelten wundervoll im Abendlicht. Ich konnte die Augen kaum von dem Schauspiel nehmen. Leider waren unsere Handys im Gepäckfach und wir wollten die Frau neben Reiner deswegen nicht stören, weshalb wir keine Fotos von der Szenerie machen konnten.

Da wir aus dem Schengen-Raum kamen, mussten wir nicht durch die Passkontrolle. Das Gepäck war auch schnell da und schon konnten wir unseren Nachbarn entdecken, der uns freundlicherweise vom Flughafen abholte. Ich war ihm unglaublich dankbar, denn er fuhr uns nicht nur zum Spital, sondern trug auch die beiden Koffer ins Dachgeschoss und stellte sie uns vor die Wohnungstür.

Bei der Anmeldung im Notfall war ich mir nicht sicher, ob sie über mein Kommen informiert waren. Sie schickten mich zur Triage. Dort sah es zumindest so aus, als ob mein Name schon vermerkt war. Ich bekam eine Akte, die ich auf der zweiten Anmeldung abgeben musste. Schliesslich wurde mir ein Armband mit QR-Code angelegt und ich durfte mich zu zwei Wartenden setzen. Die beiden waren sehr aufgebracht über die lange Wartezeit. Der eine fragte, ob erst jemand sterben müsse, bevor man behandelt würde. Damit stachelte er den anderen auf und so begann auch der zu toben. Ein Sicherheitsbeamter kam deeskalierend hinzu. Noch bevor einer der beiden an der Reihe war, wurde ich aufgerufen.

Ich bekam ein Nachthemd und es wurde mir ein Venenkatheter angelegt. Ärzte kamen und gingen. Der Gips musste vom Arm und ich musste geröntgt werden. Reiner verabschiedete sich. Den Rest schaffte ich auch allein.

Der Notfallarzt meinte, dass die Oberärztin, die mich operieren würde, eine Spezialistin und sehr gute Operateurin wäre. Klang vielversprechend. Bereits morgen um 7 Uhr würde ich als erstes operiert werden. Gut, dann hatte ich es hinter mir.

Ich wartete und wartete und wartete. Es war 00:15 Uhr. Ich hatte Geburtstag und niemanden interessierte das. Das stimmte zwar nicht, denn ich hatte keine Lust, das Handy einzuschalten. Sonst hätte ich gesehen, dass bereits die ersten Glückwünsche eingetrudelt waren.

Um 01:00 Uhr holten mich zwei Pflegefachfrauen ab, um mich aufs Zimmer 5134 zu bringen. Sie gratulierten mir zum Geburtstag, was mich sehr freute. Als ich erzählte, dass ich in Málaga gestürzt war, hatte die eine der beiden ein Déjà-vu. Eben war eine andere Frau aus Spanien eingeliefert worden, die sich nun in Isolation befinde. Zum Glück war dies aber bei mir nicht nötig.

Im Zimmer war ich allein, der zweite Platz war nicht belegt. Ich machte mich bettfertig und versuchte zu schlafen.

mittwoch, 14. februar 2024

Kurz nach sechs wurde ich geweckt, dann hiess es warten. Um zehn ging es endlich los, ich wurde in den Operationsbereich geschoben. Ein Schmerzkatheter sollte gelegt werden, dann … Abbruch! Eine Schockpatientin wurde in MEINEM Operationssaal operiert. Der Pfleger meinte, «er bringe mich um die Ecke» und parkierte mich im Aufwachraum.

Ich hatte mich gestern beim Anästhesiegespräch für eine lokale Betäubung entschieden. Doch die Wirkung war ungenügend, weshalb sie schliesslich doch zur Vollnarkose griffen. Etwas schlafen war gar nicht so schlecht.

Mitten in einem Traum hörte ich meinen Namen sagen. Ich befand mich im Aufwachraum und hatte Halsschmerzen. Ich fragte, ob ich noch etwas dösen dürfe oder ob ich wach bleiben müsse. «Dösen sie ruhig noch ein bisschen!» Die Oberärztin besuchte mich und rief Reiner an, um ihn zu informieren. Die Operation war erfolgreich verlaufen. Ich dürfe den Arm sechs Wochen lang nicht belasten, ihn aber frei bewegen, wenn er dann wieder aufwachte. Momentan war er taub. Ich spürte nichts und konnte lediglich den kleinen Finger ein klein wenig bewegen. Dieser Zustand könne bis zu einem Tag anhalten, hatte der Anästhesist mich vorgängig informiert.

Es gab Schichtwechsel beim Pflegepersonal. Die beiden gratulierten mir zum Geburtstag. Am meisten freute ich mich über den Geburtstagskuchen mit Luftballons, den die Pflegefachfrau auf das Whiteboard gemalt hatte.

Malaga 66 von 66

Besuch trudelte ein. Ich bekam Blumen und Geschenke. Obwohl ich keine Schmerzen hatte, war ich komplett erschöpft. Bei jeder Bewegung musste ich das seltsame Etwas links von mir platzieren. Es war unglaublich, wie fremd sich ein Arm anfühlte, den man ihn nicht spürte. Inzwischen konnte ich auch den kleinen Finger nicht mehr bewegen.

Irgendwann war Schicht im Schacht. Ich zwang mich, bis zehn wach zu bleiben, um die letzte Ration Schmerzmittel zu schlucken, dann schlief ich ein. Gerade, als ich wunderbar träumte, kam die Nachtschwester, um den Blutdruck zu messen. Noch immer hatte ich kein Gefühl im Arm, was mich inzwischen etwas beunruhigte. Was, wenn der Arm lahm blieb? Lange sinnierte ich nicht, denn ich schlief schnell wieder ein.

donnerstag, 15. februar 2024

Die Angst war unbegründet. Beim Erwachen konnte ich den Arm, die Hand und die Finger wieder bewegen. Es kribbelte noch, aber das verging im Laufe des Vormittags. Die Hand war stark geschwollen.

Die Agenda für den Vormittag war voll: Entfernen des Venenkatheters, Besuch der Orthopädin, die mitoperiert hatte, Besuch der Anästhesie, Arztvisite, Mittagessen. Das Essen war sehr lecker. Keine Ahnung, wieso alle immer auf Krankenhauskost schimpfen. Mir hatte es sehr gut geschmeckt.

Am Nachmittag wurde ich zum Röntgen abgeholt. «Im Rollstuhl oder im Bett?», fragte der Transportdienst allen Ernstes. Ich konnte laufen und dies tat ich auch. Ein kleiner Spaziergang unterirdisch vom Klinikum 1 zum Klinikum 2, wo sich die Röntgenapparate für stationäre Patienten befanden, tat ganz gut.

Als Reiner wieder bei mir war, kam auch der Schmerzkatheter weg. Zwei junge Frauen, fast noch Mädchen, tapsten schüchtern mit einem Klemmbrett im Arm in mein Zimmer. Waren das Zeugen Jehovas oder Scientologinnen? Nein, die beiden stellten Fragen zum Gesundheitszustand meines Arms vor dem Unfall. Die Frage «Arbeiten sie noch?» amüsierte mich. Für die muss ich mit meinen 55 Jahren etwas zwischen alt und scheintot sein.

Ich sass den ganzen Tag am Tisch und benutzte das Bett nur noch zum Schlafen. Als der Pfleger mir auch die Schiene vom Arm nahm, war ich quasi wieder mobil und bereit dafür, nach Hause zu gehen. Das sahen sie im Spital anders. Sie wollten mich noch mindestens eine Nacht behalten.

freitag, 16. februar 2024

Ich hatte wieder sehr gut geschlafen. Unglaublich, wie müde ich war. Die Narkose hatte mir zugesetzt. Ansonsten fühlte ich mich gut und war schmerzfrei. Ich wusch mich und zog mich an. Einzig die ABS-Socken behielt ich an, war aber bereit, sie gegen Socken zu tauschen, die Schuhe anzuziehen und nach Hause zu gehen.

Die Pflegefachfrau entfernte den Verband und meinte mit Blick auf das Blut unter dem Pflaster, dass ich mir nicht zu viel Hoffnung auf eine Heimkehr machen sollte. Die Narbe müsse bei einem Spitalaustritt trocken sein und das sah bei mir nicht so aus. Mir entglitt vor Enttäuschung das Gesicht. Alles verlief so gut und jetzt das? Ich wollte heim!

Kurz darauf kam die Visite. Es hatte sich ein Blutpfropfen gebildet. Der konnte entfernt werden und es quoll kein weiteres Blut nach. Die Narbe sah sehr schön aus. Also durfte ich gehen, musste nur noch auf den Abschlussbericht warten.

Dieser wurde mir nur kurze Zeit später überreicht und ich war frei! Noch etwas Ruhe, Arm hochlagern, Physiotherapie und ich war wieder die Alte. Und so endet der Reisebericht, der zu einem Unfallbericht mutiert ist.

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