White Sands National Park
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herbstliche odyssee im wilden westen (4/8) - stars und sternchen

stars und sternchen

Fort Davis war das Etappenziel für heute. Wir checkten im Hotel Limpia ein, das im Jahr 1912 aus einheimischem Vulkangestein erbaut worden war. Unser Zimmer befand sich im zweistöckigen Gebäude auf der gegenüberliegenden Strassenseite. Eine alte Holztreppe führte zum ersten – in Amerika zweiten – Stock hoch auf einen Laubengang. Unser Zimmer war das erste links gleich hinter der klapprigen Haustür. Es war riesig und gemütlich eingerichtet. Lärmempfindlich durfte man nicht sein, denn die Tür sorgte nur für Sicht- und nicht etwa für Schallschutz.

Es war Ende des Monats und die Rechnungen wollten bezahlt werden. Dank Onlinebanking war dies bequem von weit weg zu erledigen. Wir checkten auch die Kreditkarten-Buchungen, damit wir sofort hätten handeln können, wenn etwas nicht mit rechten Dingen zugegangen wäre.

Eine Buchung machte mich stutzig: 50 Dollar für McDonald’s. Ein gelbes «M» prangte neben der Buchung in der Revolut-App. Wir waren höchstens mal auf einen Kaffee in einem McDonald’s und das auch schon länger nicht mehr. Da fiel es mir wie Schuppen von den Augen: Ich hatte gestern Tickets für den Besuch des Observatoriums – das McDonald Observatory – gekauft.

Da fuhren wir nun auch hin. Auf dem Weg flogen unzählige Truthahngeier herum. Manche sassen auf Zäunen oder Leitungen. So majestätisch sie in der Luft aussahen, so hässlich waren sie in sitzender Position. Zumindest ihre truthahnartigen Köpfe fand ich nicht besonders ästhetisch.

Wir kamen zwei Stunden zu früh beim Observatorium an, weshalb wir ein Stück zurückfuhren und die wundervolle Gegend anschauten. Auf dem Weg kreuzte ein Javelina unseren Weg und wieder viele dieser Geier.

Auf dem Weg zum McDonald Observatory
Auf dem Weg zum McDonald Observatory
Auf dem Weg zum McDonald Observatory
Auf dem Weg zum McDonald Observatory

Zurück beim Observatorium waren wir die ersten Besucher, die den orangefarbenen Kleber ans Revers heften konnten. Noch war rund eine Stunde Zeit bis zur Star Party. Wir beobachteten beim Eingang die ankommenden Leute. Nach und nach strömten immer mehr zu der Sternwarte. Teilweise wurden sie mit Bussen hergefahren. Ein kleiner Junge nahm Anlauf und hüpfte genau neben Reiner in eine Pfütze. Beim Eingang rannte ein Mädchen in die Tür, fiel hin, stand auf und meinte keck zu den erschrockenen Erwachsenen: «I’m okay!».

McDonald Observatory Fort Davis
McDonald Observatory Fort Davis
McDonald Observatory Fort Davis

Irgendwann begaben wir uns zum Amphitheater und setzten uns in die erste Reihe. Eine ältere Frau nahm neben mir Platz.

Es wurde dunkel, nur wenig Licht kennzeichnete den Weg. Eine Wissenschaftlerin erzählte viel über das Observatorium. Sie fragte ins Publikum, wer aus Texas sei. Die meisten meldeten sich. Sie wollte wissen, wer am weitesten herkomme. «Austin», rief ein Junge. Naja, das sei auch Texas. Reiner raunte mir zu, ich solle mich melden und ich gehorchte. «Switzerland! Wow, das ist richtig weit», war ihr Kommentar daraufhin.

Weiter führte sie aus, dass wir keine Lichter verwenden sollten, auch keine Handys, aber die würden eh nicht funktionieren. Ausserdem sollten wir beim Wegfahren nicht gegen das Observatorium zünden. Der Exit gehe in die andere Richtung weg und wir sollten wegen den Wildtieren nicht zu schnell fahren. Wer denn welche Wildtiere gesehen hätte, fragte sie das aufmerksame Publikum. «Fast alle», antwortete ein Junge. Was für welche denn? Hirsche, Hasen, Antilopen und viele mehr, zählte er auf. Ob er im Zoo gewesen sei, fragte die Frau. Sie hatte einen guten Humor und konnte das Publikum damit mitreissen. Mit einem Laserstrahl zeigte sie Interessierten Sternbilder am Himmel, die anderen durften bereits zu den Teleskopen gehen.

Es bildeten sich lange Schlangen vor den Teleskopen. Auch wir standen an. Neben uns stand eine Tür zu einem weissen Gebäude mit Kuppel offen. Eine Frau entfernte sich aus der Schlange und betrat den Raum. Ich war neugierig und wollte ebenfalls nachschauen, was sich darin befand. Bevor ich mein Vorhaben in die Tat umsetzen konnte, stellte sich eine Schulklasse mit testosterongeladenen Jungs an und wir direkt hinter sie. Die halbwüchsigen Typen blödelten herum, kabbelten sich und waren dann ganz brav, als einer nach dem anderen durch das Teleskop schauen durfte. Der junge Mann vor mir guckte durch und raunte: «Looks fake». «No, that’s real!», entgegnete der Student, der die Aufsicht über das Teleskop hatte. Nun war ich an der Reihe und ich sah einen kleinen scharfen Saturn. Er sah mit seinem Ring tatsächlich aus wie gemalt.

Als nächstes schauten wir zum «Harvest Moon», wie der Vollmond im Oktober genannt wird. Die Krater waren sehr gut auszumachen. Weitere Teleskope waren ebenfalls auf den Mond und den Saturn ausgerichtet und in einem konnten wir eine junge Sternengruppe betrachten, die bloss zwei (oder waren es zweihundert?) Millionen Jahre alt war. In der Ferne blitzte es. Wir hatten aber Glück, dass der grösste Teil des Himmels klar war und wir die Sterne und den Mond gut beobachten konnten.

Im Visitor Center schauten wir uns einen kurzen Film an. Er begann mit dem Fokus auf ein Pärchen beim Picknick und zoomte weg bis zu einer zehn Billiarden-fachen Verkleinerung. Wir kamen durch die Spiralformen von Galaxien, Galaxienhaufen bis zu Dunkler Materie und Dunkler Energie. Anschliessend wurde schnell wieder bis zum Ausgangsbild vergrössert, um dann auf die Hand und weiter zu vergrössern, bis in die subatomaren Strukturen. Es war eine theoretische Betrachtung, da kein Mikroskop aktuell eine derart grosse Vergrösserung abbilden kann. Auch wenn der Film alt war, fand ich ihn sehr interessant.

Nach einem Rundgang durch die interaktive Ausstellung machten wir uns auf den Weg zurück nach Fort Davis.

Ab 22:00 Uhr herrschte Nachtruhe im Hotelbereich, deshalb deutete ich Reiner an, still zu sein. Wir stiegen die Treppe hoch. Auf dem Laubengang sass eine ältere Frau und fragte uns, ob wir aus der Schweiz seien. Ich war verdattert, woher konnte sie das denn wissen? Sie hätte uns an der Star Party gesehen und Reiner erklärte mir anschliessend, dass dies die Frau war, die neben mir gesessen war. Sie käme aus der Nähe von Austin in Texas und sie zeige drei Freundinnen den Big Bend. Ihr gefalle der Park sehr gut, bereits fünf Mal sei sie dort gewesen.

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