donnerstag, 28. september 2023
es wird wild
Bei schönstem Sternenhimmel machten wir uns auf die Socken. Die Strasse vom Chisos Basin hinunter wand sich. Direkt nach der ersten Kurve hopste ein Schwarzbär über die Strasse und verschwand im Gebüsch.
Wieder war das Rio Grande Village unser Ziel. Viele Hasen und Fledermäuse begegneten uns zu dieser frühen Stunde. Der Geruch der Fledermäuse, den wir von den Carlsbad-Höhlen noch in der Nase hatten, begleitete uns.
Noch bevor wir einen Fuss auf den ersten Pond setzten, lugte uns etwas vom Ende der schwimmenden Brücke an. Es war ein Waschbär. Da! Noch einer - viel näher. Dieser hielt den Kopf schräg und machte den Eindruck, als würde er uns Hallo sagen. Als ich Reiner auf ihn aufmerksam machte, beeilte er sich, sich im Schilf zu verstecken.
Eine kleine Wasserschlange schwamm im Wasser und verschwand bald im Nest. Ob es dieselbe wie gestern war? Ihre Mutter begrüsste Reiner kurz, während ich etwas weiter vorne auf die Pirsch ging. Diese war allerdings nicht von Erfolg gekrönt, dafür durfte ich den schönen Sonnenaufgang geniessen.
Bevor die Sonne wieder so richtig auf unsere Köpfe brannte, kehrten wir um. Ein Roadrunner kreuzte unseren Weg und machte seinem Namen alle Ehre: Er rannte von der Strasse ins Gestrüpp. Zwei Esel begegneten uns, damit war die Wildtiersuche beendet.
viel schönes im westen
Wir hatten vor, zum Santa Elena Canyon zu fahren, doch für diese lange Reise mussten wir wohl oder übel vorher an der Panther Junction tanken. Die Überraschung war gross, als wir den Preis sahen. Mit 3.639 Dollar pro Gallone war er tiefer als ausserhalb des Nationalparks.
Auf dem Ross Maxwell Scenic Drive gab es eine herrliche Landschaft zu bestaunen. Den Burro Mesa Pouroff konnten wir auslassen, den hatten wir gestern bei viel schönerem Licht gesehen. Ansonsten hielten wir immer wieder an den Aussichtspunkten und trafen jeweils auf dieselben Personen. Auch die Border Patrol war unterwegs, aber an uns schienen sie nicht interessiert zu sein.
Beim Canyon packten wir die Wanderstöcke aus und liefen los. Es war unerträglich heiss – zu heiss für uns. Wir schafften es nur bis zum Rio Grande und dort den wundervollen Santa Elena Caynon zu bestaunen, dann kehrten wir ins klimatisierte Auto zurück.
Vom Santa Elena Canyon Overlook aus warfen wir noch einen letzten Blick auf die Schlucht und schauten uns die Eselsohren beim Mule Ears Viewpoint an. Die Ohren sind Zwillingssäulen aus schwarzem Eruptivgestein, die einst Teil des Kerns eines Vulkans waren und jetzt die Wüste überragen. Ein weiteres Auto stellte sich auf den Parkplatz. Vier Asiaten stiegen aus. Dann noch einer und noch einer. Letztendlich hatten acht Leute in dem SUV platzgefunden.
Beim Sotol Vista Overlook teilten wir die Aussicht in die ferne Landschaft mit anderen Naturbegeisterten. Anschliessend fuhren wir ein Stück Richtung Gravevine Hills Trailhead, der zum berühmten Balanced Rock führte. Ein kleiner Traum platzte, als wir umdrehen mussten. Aber mir war nicht wohl beim Gedanken, dass unser Auto diese holprige Piste nicht schadlos überstehen könnte und wir in der Einsamkeit ohne Telefonnetz versauern würden. Ausserdem drückte meine Blase heftig, sodass wir zur Lodge zurückkehrten und dort etwas verweilten.
schuld waren die prickly pears
Vorher berichteten wir der netten Rangerin im Visitor Center von unserer morgendlichen Bärenbegegnung. Wir seien einer der wenigen Glücklichen, die dieses Jahr einen Bären zu Gesicht bekommen hätten, meinte sie. Sie war in Plauderlaune und führte aus, dass letztes Jahr kein Tag ohne Bärensichtung im Lodgebereich vergangen sei. Dies hätte daran gelegen, dass die Kakteen kaum Früchte getragen hätten. Bloss in der Nähe des Visitor Centers wären drei Büsche voller - bei Meister Petz beliebten - Prickly pears gewesen. Dieses Jahr hingegen waren sämtliche Kakteen voller Früchte, weshalb sich die Bären im Park verteilen und sich in die Wälder zurückziehen konnten.
guetnachtgschichtli zum sonnenuntergang
Kurz vor Sonnenuntergang setzten wir uns auf eine Parkbank und genossen den Blick auf The Window. Wir hatten uns den gestern erhaltenen Tipp des Rangers, dem Sonnenuntergang beim Window View Trail beizuwohnen, zu Herzen genommen.
Langsam senkte sich die Sonne im Zwischenraum von zwei Berggipfeln. Es sah aus, als würde die Sonne von links nach rechts den Berg hinunterrollen, wo sie dann am Fuss der beiden Berge verschwand. Diesen bezaubernden Moment teilten viele andere Besucher mit uns.
Reiner fotografierte und ich filmte, teilweise schnappte ich mir die Fotokamera und schoss auch ein paar Bilder. Ein Mann fragte mich, ob wir deutsch sprechen würden. Er sei in Bielefeld stationiert gewesen und hätte damals ein paar Brocken deutsch reden können. Auch Engländer seien dort gewesen und obwohl alle dachten, dass sie dieselbe Sprache sprechen würden, hätten sie sich teilweise nicht verstanden. Die Unterschiede seien grösser als man denke. Sein Grossvater sei von Churwalden in der Schweiz nach Texas ausgewandert und er selber träumte davon, wieder dorthin zu fahren. Er liebe Deutschland und die Schweiz.
Vor lauter Plappern verpasste ich fast den Sonnenuntergang. Als die Dämmerung einsetzte, warteten wir auf den Vollmond. Der Berg rechts vor uns wurde bereits angeleuchtet, doch der Erdtrabant liess sich Zeit. Nach einer Weile waren wir so müde, dass wir schlafen gingen, ohne den Vollmond gesehen zu haben.