Big Bend National Park - The Window
Big Bend National Park - The Window

herbstliche odyssee im wilden westen (3/8) - stalaktiten, stalagmiten und schweizer käse

montag, 25. september 2023

stalaktiten, stalagmiten und schweizer käse

Kurz frühstücken und dann ging es los. Leichte Bewölkung war am Himmel zu sehen und es war bereits über zwanzig Grad Celsius.

Unterwegs zum Nationalpark beobachteten wir Dickhornschafe auf den Felsen herumklettern. Sie waren brauner als die, die wir von unseren früheren Reisen her kannten. Zum Fotografieren war keine Zeit, denn wir hatten uns Tickets für die Höhle im Carlsbad Caverns National Park reserviert, die wir am Visitor Center abholen mussten.

Wir wurden darauf aufmerksam gemacht, dass es zwei Möglichkeiten gäbe, um in den Big Room zu gelangen. Zum einen führte ein Lift 230 Meter, was 79 Stockwerken entspricht, in die Tiefe, zum anderen wäre der Zutritt über den Natural Entrance Trail möglich. Dieser natürliche Eingang sei steil und zwei Kilometer lang, nichts für Knie- oder Rückenprobleme.

Wir liessen es uns nicht nehmen, nach einer kurzen Instruktion vor dem Höhleneingang die Serpentinen hinab ins Dunkle unter die Füsse zu nehmen. Die Fledermäuse, die tagsüber dicht gedrängt an der Decke der Bat Cave, einer Seitenhöhle in der Nähe des Eingangs hingen, liessen wir links (oder rechts?) liegen. Ich versuchte mein Knie möglichst zu schonen, indem ich mich am Geländer festhielt. Wanderstöcke waren leider nicht erlaubt.

Schon nach den ersten Windungen tat sich Grossartiges auf. Stalaktiten in verschiedensten Farben und Formen erfreuten unsere Augen. Gemütlich sammelten wir Eindrücke und hielten sie in Bildern fest im Wissen darum, dass Fotos und Videos niemals die Gefühle wiedergeben können, die wir in diesem Moment empfunden hatten.

Ein Besucher deutete auf eine Formation und sagte zu uns, dass sie wie Schweizer Käse aussähe. Ich erwiderte, dass wir Schweizer seien, worauf er meinte, dass er Schweizer Käse liebe, ob wir welchen dabeihätten. Leider nein, aber Schweizer Schokolade im Hotelzimmer, was wir ihm jedoch nicht verrieten.

Unten in der riesigen Haupthalle, dem sogenannten «Big Room», angekommen, hatte ich schon ein bisschen weiche Knie, aber ich würde jederzeit wieder den natürlichen Eingang dem Lift vorziehen. Das Erlebnis, Schritt für Schritt in die Unterwelt einzutauchen, war einmalig. Die Temperatur war mit Dreizehn Grad Celsius angenehm kühl. Es war nicht mehr zu erkennen, ob es Hunderte von Metern über uns schneite, regnete oder ob die Sonne die Landschaft erwärmte.

Nun fing das Experiment erst richtig an. Ein gut ausgebauter Weg wand sich an komplexen Tropfsteinformationen vorbei. Verantwortlich für die Naturschönheit ist mineralhaltiges Wasser, das über Hunderttausende Jahre hinweg von der Decke getropft und erstarrt war. Filigrane Stalaktiten, die wie hunderte von Eiszapfen von der Decke hingen, massive Formationen in Form erstarrter Wasserfälle, plissierte und gekräuselte Steine bildeten eine surreale Welt, wie ich sie noch nicht gesehen hatte.

Carlsbad Caverns National Park
Carlsbad Caverns National Park
Carlsbad Caverns National Park
Carlsbad Caverns National Park
Carlsbad Caverns National Park
Carlsbad Caverns National Park
Carlsbad Caverns National Park
Carlsbad Caverns National Park
Carlsbad Caverns National Park
Carlsbad Caverns National Park

falsche bighorn sheeps

Gegen Mittag verliessen wir tief beeindruckt die Höhlen und fuhren zurück Richtung Carlsbad. Leute standen am Wegrand und blickten mit Ferngläsern Richtung Berge. Wir entdeckten am Strassenrand Dickhornschafe und wendeten, um zu einem Parkplatz zurückzukehren, wo wir die Tiere genauer beobachten konnten. In einiger Distanz kletterten ein paar Schafe auf den Felsen herum. Einem der Zaungäste erklärten wir, dass etwas weiter die Strasse hinunter weitere Dickhornschafe zu sehen wären und diese sich näher zur Strasse befinden würden. Er erklärte uns, dass dies nicht Dickhornschafe, sondern «Barbery Sheeps» seien. Die Berberschafe wurden vor Jahren aus Nordafrika in New Mexico eingeführt und verdrängen immer mehr die heimischen Dickhornschafe.

Berber oder Dickhorn – wir zückten den Feldstecher und entdeckten noch viele dieser ungewöhnlichen Schafe, die genaugenommen Ziegen waren.

Barbery Sheep
Barbery Sheeps
Barbery Sheep
Barbery Sheep
Barbery Sheep

Bis wir in Carlsbad ankamen, war es Nachmittag und ein Hüngerchen plagte uns. Wir entdeckten El Charro, wo ich mir sehr saftige, aromatische Tacos und Reiner einen leckeren Burrito schmecken liessen. Danach erledigten wir im Hotelzimmer noch ein paar administrative Aufgaben, ehe wir erneut zum Bat Flight Program aufbrachen. Wird es gleich ablaufen wie gestern oder würden wir neue Eindrücke gewinnen?

abendprogramm

Um zwanzig vor sechs parkierten wir unseren Hyundai im Nationalpark, fünf Minuten später sollte das Programm starten. Als wir beim Höhleneingang ankamen, war der Ranger – diesmal ein junger Mann – bereits beim Beantworten der Fragen. Etwa 200'000 bis 300'000 Fledermäuse seien aktuell im Park. In guten Jahren können es auch mal 1.8 Millionen sein. Die Zeiten, wann sie aus der Höhle ausschwärmen, seien sehr unterschiedlich und es könne bis zu drei Stunden dauern. Er hatte eine erfrischend humorvolle Art an sich und unterhielt das Publikum bestens.

Wir hatten uns diesmal auf der rechten Seite der Arena platziert, weil gestern die kleinen Vampire aus der Höhle kommend rechts über die Zuschauer hinweggeflogen waren. Von dort aus konnten wir den Höhleneingang nicht sehen, er lag hinter einer kleinen Kuppe. Sollten wir uns noch umsetzen? Hin- und hergerissen wartete ich gespannt auf das Spektakel. Um kurz vor halb sieben kamen dann vier oder fünf der pelzigen Tierchen, bogen gleich nach der Höhle scharf rechts ab und verschwanden. Es folgte … nichts. Weitere zwanzig Minuten mussten wir warten, bis der grosse Ausflug begann. Minutenlang flogen schwarze Schwärme vor uns rechts in den Himmel. Später drehten einzelne Fledermäuse ihre Runden über unseren Köpfen. Die Zuschauer verliessen nach und nach die Arena, bis nur noch ein paar übrigblieben. Ein Mann kam zu uns, schaute geradeaus hoch und freute sich über die Nähe zu den Tierchen. Wir hätten die besseren Plätze ausgesucht, flüsterte er uns lachend zu, während die Flügelschläge der Fledermäuse wie knisterndes Feuer zu hören war.

Auf einmal hörten wir ein Schreien, das mit einem ebensolchen Schreien beantwortet wurde. Was war das denn für ein Vogel? Noch bevor ich den Ranger fragen konnte, tat dies ein anderer Besucher. Es handle sich um eine «Great Horned Owl», war die Antwort.

Der Virginia-Uhu ist auch als «Schreieule» bekannt, was mir passend erschien. Mehr als den Schatten dieser lauten Eule konnten wir nicht ausmachen und auch die Fledermaus-Schwärme verschmolzen immer mehr mit dem dunklen Nachthimmel. Nun war es auch für uns Zeit, zum Hotel zurückzukehren, zumal morgen wieder ein langer Fahrtag anstand.

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