Saguaro National Park West
Saguaro National Park West

herbstliche odyssee im wilden westen (5/8) - kein deutsches bier

samstag, 7.oktober 2023

kein deutsches bier

Unseren Plan, das vielseits empfohlene Pima Air & Space Museum zu besuchen, verwarfen wir zu Gunsten einer Fahrt Richtung Mount Lemmon Sky Center Observatory. Den malerischen Mount Lemmon Highway hatten wir in guter Erinnerung, ausserdem war es in der Höhe etwas kühler als in der Stadt.

Es herrschte reges Verkehrsaufkommen auf dem Scenic Byway. Wir stoppten beim Babad Do’ag Scenic Overlook, gingen beim Molino Canyon Vista den Weg sowohl links wie rechts zu der ausgetrockneten Schlucht, schauten uns den gleichnamigen Berg bei der Thimble Peak Vista an und genossen weitere Aussichten auf der Strasse.  

Bei der Windy Point Vista, wo beidseitig der Strasse parkiert werden konnte, war viel los. Auto- und Motorradfahrer sowie Fussgänger tummelten sich auf und neben der Strasse. Auch wir stellten unser Auto ab und folgten dem felsigen Weg bis zum steil abfallenden Ende mit weitem Blick in die Tiefe. «The rocky snail», ein Fussweg, mit beidseitigem Natursteinmäuerchen (rührte daher der Name?), führte neben der Strasse zu einem mit Geländer und Infotafeln versehenen Aussichtspunkt.

Bei der Hoodoo Vista waren wir fast die einzigen Besucher, die die Landschaft genossen und auch beim Palisades Visitor Center fuhren die vielen Autofahrer vorbei. Ich wollte aber den Smokey the Bear-Stempel abholen und nach Wanderwegen fragen. Die Rangerin zeigte uns auf einer Karte den Weg zu einem Wanderweg, warnte uns aber, dass oben beim Mount Lemmon Ski Valley wegen des Oktoberfests viel los sein würde. Oktoberfest? Ja, das sei beliebt, aber die Leute hätten reklamiert, dass es Hot Dog statt Bratwurst und amerikanisches, statt deutsches Bier gäbe. Nicht mit uns, dachte ich, keine zehn Pferde würden mich an so eine Veranstaltung bringen.

Mount Lemmon Highway
Mount Lemmon Highway
Mount Lemmon Highway
Mount Lemmon Highway
Mount Lemmon Highway
Mount Lemmon Highway
Mount Lemmon Highway
Mount Lemmon Highway
Mount Lemmon Highway
Mount Lemmon Highway

Kopfschüttelnd fuhren wir an den Parkplätzen zum Fest beidseitig der Strasse vorbei, die sich langsam füllten. Je höher wir kamen, desto herbstlicher wurde der Wald. Die Espen hatten sich gelb verfärbt. Die Strasse zum Observatorium war gesperrt und der Parkplatz zum Trailhead voll. Warum nicht ans Oktoberfest statt Wandern? Wir waren uns sofort einig. Vergessen war die vorherige Häme. Wir waren gespannt, wie ein Oktoberfest in den Bergen Arizonas aussehen würde.

und es gibt doch deutsches bier

Der Parkplatz kostete fünf Dollar, der Eintritt zum Festgelände war kostenlos. Beim Eingang wurden wir instruiert, was alles erlaubt und verboten war, wo es was zu Essen gäbe, wo Musik mit Tanz stattfinden würde und dass sich die mobilen Toilettenhäuschen auf dem Parkplatz befänden.

Die fünfzehn Dollar pro Person, um mit einem Sessellift auf einen Hügel zu fahren, schenkten wir uns. Noch war das Fest nicht eröffnet. Ein paar Minuten mussten wir uns gedulden, bis das Essen ausgegeben wurde und eine halbe Stunde später sollte die Musik aufspielen. Auf einer abschüssigen Wiese hatten sich einige Familien mit Campingstühlen eingerichtet. Das brachte uns auf die Idee, unsere aus dem Auto zu holen und uns im Schatten einer Baumgruppe zu platzieren.

Das Mount Lemmon Ski Valley befindet sich auf einer Höhe von 2'500 Metern, weshalb die Temperaturen deutlich kühler waren als unten in Tucson. Ich begann zu frösteln, trotzdem blieben wir im Schatten sitzen, um keinen Sonnenstich zu riskieren.

Immer mehr Leute strömten her. Eine Familie mit drei kleinen Jungs breitete eine Picknickdecke neben uns aus. Der rothaarige Vater spielte mit den beiden grösseren Kindern. Sie rannten den bewaldeten Abhang hinunter, auf der anderen Seite hoch, nahmen Stöcke mit und hatten sichtlich einen Riesenspass.  Das Dritte war ein Baby, das von der blondhaarigen Mutter auf die Decke gepackt wurde.

Wir unterhielten uns darüber, dass der eine Junge der Mutter ähnlichsähe und der rothaarige dem Vater wie aus dem Gesicht geschnitten wäre, da meinte ich grinsend zu Reiner, dass wir leiser reden sollten, denn womöglich verständen sie Deutsch. Wohl kaum, waren doch alles Einheimische hier. Ausserdem hätten wir ja nichts Schlimmes gesagt, erwiderte Reiner, womit er Recht hatte.

Als die drei zurückkamen, begann die Frau die Jungs nach den deutschen Wörtern für verschiedene Farben zu fragen. Zu uns gewandt erklärte sie in akzentfreiem Deutsch, dass die beiden sehr gut Deutsch verständen, bloss reden würden sie es nicht. Ich war perplex. Es stellte sich heraus, dass sie zwar in Tucson geboren und aufgewachsen war, aber ihre Eltern aus Deutschland ausgewandert waren und darauf bestanden hatten, zu Hause Deutsch zu reden.

Rund um uns herum wurde Bratwurst mit Sauerkraut, Rotkraut und Kartoffelsalat gegessen und dazu Bier getrunken. Ich stellte mich in eine lange Schlange, um Bons für zwei «Brat Plates» und zwei Softgetränke zu erwerben. Auf einen halben Plastikbecher Erdinger – es gab also doch deutsches Bier! – für sieben Dollar hatte ich keine Lust.

Die Brötchen waren tatsächlich so vorbereitet, dass ein Hotdog daraus gemacht werden konnte. Die Wurst war okay und ich freute mich, dass es Gemüse dazu gab, auch wenn dieses höchstwahrscheinlich aus der Dose kam. Satt machte die Mahlzeit allerdings nicht.

Eine Plattform mit grobem Holzboden bildete die Tanzfläche, auf deren Längs- und einer Breitseite weisse Plastikstühle angeordnet waren. Auf der anderen Breitseite formierte sich die Musikgruppe bestehend aus Senioren, die sich in so etwas Ähnliches wie Lederhosen und Trachten geschmissen hatten und damit sehr verkleidet aussahen.

Langsam begannen sie zu spielen. Die Betonung liegt auf «langsam». In mir kam der Wunsch auf, den Musikern einen kleinen Schups zu geben, damit sie in die Gänge kämen. Die Frau am Akkordeon sang deutsche Lieder. Ihr amerikanischer Akzent dazu war putzig. Auf der Tanzfläche hatten sie ein paar wenige eingefunden, die zur Musik herumhüpften.

Dies änderte sich nach einer Ansage, die ich nicht verstanden hatte. Sämtliche Kinder hatten sich auf der Plattform eingefunden und das waren nicht wenige. In zwei Kreisen tanzten sie gegenläufig zu einem nächsten Stück. Danach stellten sich sowohl Jung wie Alt hin und lauschten den Anweisungen für den nächsten Tanz. Es war den Ententanz, der scheinbar dem amerikanischen Publikum unbekannt war.

Sehr, sehr langsam begann das Zusammenklappen der Hände, was den Schnabel einer Gans darstellen sollte, gefolgt vom Flügelschlag und dem Watscheln der Enten. Beendet wurde die Tanzfigur mit dem Händeklatschen zum Verscheuchen der Tiere. Nach ein paar langsamen Runden zog die Musikkapelle das Tempo an. Runde für Runde wurde schneller gespielt und getanzt. Am Schluss war das Tempo so hoch, dass die meisten kaum mehr imstande war, die Bewegungen sauber auszuführen.

Oktoberfest beim Mount Lemmon Ski Valley
Oktoberfest beim Mount Lemmon Ski Valley
Oktoberfest beim Mount Lemmon Ski Valley
Oktoberfest beim Mount Lemmon Ski Valley
Oktoberfest beim Mount Lemmon Ski Valley
Oktoberfest beim Mount Lemmon Ski Valley
Oktoberfest beim Mount Lemmon Ski Valley
Oktoberfest beim Mount Lemmon Ski Valley
Oktoberfest beim Mount Lemmon Ski Valley

Statt die entstandene Bombenstimmung auszunützen, machten die Musiker Pause und fuhren später wieder gemächlich weiter. Obwohl wir erst gelästert hatten und auf keinen Fall dem Event beiwohnen wollten, entpuppte sich das Erlebnis als kleines Highlight. Dies war nicht zuletzt deswegen, weil es so unerwartet kam und wir einen Blick ins Treiben von Einheimischen werfen konnten.

Wie beliebt das örtliche Oktoberfest war, sahen wir, als wir das Festgelände verliessen. Die Parkplätze waren voll. Am Strassenrand, wo normalerweise Parkverbot war, stand eine riesige Blechlawine und auf der Strasse stauten sich kilometerlang die Autos.

AUCH INTERESSANT

Monument Valley Tribal Park
Monument Valley Tribal Park
Canyon de Chelly
Canyon de Chelly
White Sands National Park
White Sands National Park