freitag, 6. oktober 2023
lazy people
Der Frühstücksraum war erstaunlich klein in Anbetracht der vielen Zimmer. Einige Gäste nahmen das Essen mit, sodass trotzdem genügend Stühle für die Gäste vorhanden waren. Die Dame, die für die Ordnung und das Nachfüllen zuständig war, machte ihren Job sehr gut. Sie war freundlich, war immer da, wo sie gebraucht wurde.
Kurz nach acht Uhr waren wir beim Sabino Canyon. Für dreissig Dollar kauften wir am Automaten zwei Tickets für die Sabino Canyon Tour. Während der Eingabe sprach mich ein Mann an. Was wollte er von mir? War etwas nicht in Ordnung? Ich entschuldigte mich wegen meines schlechten Englischs, und er entschuldigte sich wegen seiner Aussprache, die an unserem Kommunikationsproblem schuld sei. Er deutete uns, ins Häuschen zu kommen, an dem der Automat angebracht war. Dort händigte er uns Kopfhörer für den Audioguide aus.
Wir waren viel zu früh. Während wir auf die Abfahrt des Elektrofahrzeuges warteten, kam eine Frau - ich schätzte sie auf Mitte Siebzig - auf uns zu. Sie erzählte, dass sie bereits 125 Länder bereist hätte, unter anderem wäre sie mit ihrem inzwischen verstorbenen Mann oft in der Schweiz gewesen. Sie stamme aus Tucson und käme täglich her, um zu spazieren.
Um neun Uhr startete die humorvolle Fahrerin den Elektro-Shuttle in Richtung Canyon. Bis zu sechzig Passagiere könnten Platz in dem offenen Fahrzeug finden, aber zum Glück war nicht einmal die Hälfte der Plätze belegt. Sie erzählte, dass es dieses Jahr unerträglich heiss sei. Zehn Tage lang über 110 Grad Fahrenheit (43.3 Grad Celsius) kenne sie, aber dieses Jahr sei es nicht normal gewesen. Wochenlang war es heiss und der ansonsten übliche Monsun sei ausgeblieben. Die Flüsse seien ungewöhnlich trocken.
Am Ende der North Sabino Canyon Road angekommen, stiegen alle aus und ein paar – inklusive wir – wieder ein. Ob wir nicht wandern wollten, fragte die Fahrerin. «No!». «Lazy people!», war ihre Reaktion darauf und brachte ihr schallendes Gelächter ein.
Kurz vor Ende der Strasse standen einige Kinder mit zwei Erwachsenen am Wegrand und schauten den Hang hoch. Bestimmt sahen die etwas – womöglich ein Wildtier! Tatsächlich lag eine grosse Klapperschlange in sicherer Entfernung im Gebüsch.
Eine gute Stunde später warfen wir den Plan, in der Gegend zu wandern, über den Haufen. Es war uns zu heiss, ausserdem hatten wir die Old Tucson Studios noch nicht gesehen. Letztes Jahr waren sie wegen Corona geschlossen gewesen. Dies war unsere Chance, das 1.3 Quadratkilometer grosse Filmstudio für Western zu besuchen.
wegen zu geschlossen
Die Old Tucson Studios lagen neunzehn Kilometer westlich von Tucson. Seltsam! Der Parkplatz war fast leer. Irgendetwas stimmte hier nicht.
Im Shop erfuhren wir, dass wegen Dreharbeiten das Studio für Besucher geschlossen war und erst im November wieder zugänglich sein würde. Was für ein Pech aber auch!
Ein Mann und eine Frau in den Siebzigern stiegen aus ihrem Auto aus. Er fragte uns, ob denn die Studios nicht geöffnet hätten. Sie wären bereits zweimal vergebens angereist und masslos enttäuscht, dass sie dieses Mal wieder unverrichteter Dinge abreisen müssten.
kakteen und ein unfall
Nicht weit von hier war der Saguaro National Park West. Warum nicht eine Runde an den wundervollen Kandelaber-Kakteen vorbeifahren? Im Visitor Center schauten wir uns den Parkfilm an und waren wieder begeistert, obwohl wir ihn bereits kannten. Wir fragten die Rangerin, wann genau das Gate schliessen würde. Geöffnet «from dawn to dusk» (vom Morgengrauen bis zur Abenddämmerung) war uns zu ungenau. Wir waren gebrannte Kinder – standen wir doch vor wenigen Tagen bereits vor einem verschlossenen Tor.
Es gäbe keine Tore hier, war die Antwort, der Park sei 24 Stunden offen. Nun hatten wir einen Plan für unser Abendprogramm.
Wir fuhren auf der West Gates Pass Road Richtung Tucson. Beim Gates Pass Scenic Lookout hatte ein Sheriff die Strasse abgesperrt. Entweder parkieren und warten, bis die Strassensperre aufgehoben war oder umdrehen, war die Devise. Wir wendeten und sahen beim Gates Pass ein Auto im Hang hängen, das eben geborgen wurde. Ein Fahrer hatte die Kontrolle über sein Fahrzeug verloren und war nach der Kurve den Abhang hinunter gerauscht. Er hatte mit leichten Verletzungen mit dem Helikopter geborgen und ins Spital geflogen werden müssen.
sonoran hot dog
Wir hatten neuen Rekord: Das Dashboard im Auto zeigte vierzig Grad Celsius. In Erinnerung an die Empfehlung des Barkeepers in Albuquerque, steuerten wir das El Güero Canela an. Ich war sehr gespannt, ob der Sonoran Hot Dog wirklich so gut war, wie er behauptet hatte.
Ein Augenschmaus war das Restaurant von aussen nicht. Und auch das Innere der Blechhütte erinnerte mehr an eine Fabrikhalle als an ein Restaurant. Vom Optischen unbeirrt bestellten wir je einen Sonoran Hot Dog.
Diese Art Hotdog war Ende der 1980er Jahre in Hermosillo, der Hauptstadt des mexikanischen Bundesstaates Sonora entstanden und ist seither auch im Süden Arizonas sehr beliebt. Das Würstchen wird in Speck eingewickelt, gegrillt und in einem Hotdog-Brötchen im Bolillo-Stil serviert. Darauf kommen Pintobohnen, Zwiebeln, Tomaten und viele Gewürze. Garniert wird der Hotdog mit Mayonnaise, Senf und einer Jalapeño-Salsa.
Der Barkeeper hatte recht. Es schmeckte so gut, dass sich Reiner einen zweiten Hotdog einverleibte.
sonnenuntergang und noch mehr kakteen
Am späten Nachmittag hatten wir immer noch vierzig Grad. Wir kauften bei Albertsons ein. Der Kassier wollte wissen, ob wir zu Besuch wären. Wir erzählten ihm, woher wir kamen, und er fragte, ob in der Schweiz dieselben Temperaturen herrschten, wie hier. Nein, auch wenn es ein sehr milder Oktober war, fehlten noch einige Grad dafür.
Auf dem Gates Pass waren die Spuren des verunfallten Autos noch erkennbar. Die Räumungsarbeiten waren jedoch abgeschlossen und die Sperrung aufgehoben.
Erneut im Saguaro National Park West angekommen, war die Sonne hinter einer Wolke versteckt. Mit der GoPro nahmen wir einen Time Warp von der Fahrt des dreizehn Kilometer langen Bajada Loop Drive auf. Am Ende der Runde war die Sonne wieder voll da und tauchte die Landschaft in ein goldiges Licht. Wir drehten um und bogen zum Signal Hill ab, wo wir beobachteten, wie die Sonne orangerot hinter den Bergen verschwand.
Wir verliessen den Park. Wegen zwei Sperrungen wurden wir anstelle der Gates Pass Road über den Norden des Nationalparks umgeleitet. In stockdunkler Nacht und bei immer noch vierunddreissig Grad kamen wir im Hotel an.