Gnuwanderung in der Masai Mara
Gnuwanderung in der Masai Mara

kenia - einzigartige gnuwanderung - Masai Mara

masai mara

Im Mara Kima Camp, nahe dem Telek Gate in der Masai Mara, beziehen wir unser Zelt und treten zum ersten Game Drive an. Wir dürfen entscheiden, ob wir lieber Löwen oder Geparden sehen wollen. Ich entscheide mich für Geparden, weil ich noch nie einen in freier Wildbahn gesehen habe. Wofür sich schliesslich Moses entscheidet, erschliesst sich mir nicht. Es ist mir aber auch egal, denn Hauptsache, wir sehen überhaupt ein Tier.

Und das tun wir. Bereits nach kurzer Zeit können wir eine Unzahl an Gnus ausmachen. Auch ein paar Zebras, ein Schakal, eine Hyäne, ein paar Geier und in der Ferne ein paar Giraffen bieten uns ein Schauspiel.

Und dann liegt er da, der König der Tiere. Es ist ein prächtiger Löwe, der gerade ein Schläfchen hält. Wir sind nicht die einzigen, die das Tier bestaunen. Im Nebenfahrzeug hat sich ein Safari-Tourist mit einem riesigen Objektiv positioniert. Das scheint der Startschuss zum Kampf um das grösste Rohr zu sein.

Kurz vor Sonnenuntergang fährt Moses an einen kleinen Fluss, der genau in dem Moment von einer kleinen Herde von Gnus überquert wird. Zwar kann ich von meiner Position aus das Wasser nicht sehen, aber das Getrampel der Herde, der Sprung in und das Klettern aus dem Flüsschen ist schon eindrücklich.

Auf dem Rückweg beehrt uns ein wunderschöner Sonnenuntergang. Im Vordergrund sind Gnus zu sehen. Ein herrlicher Anblick einer scheinbar friedlichen Natur.

Zurück im Camp gibt es ein einfaches, aber schmackhaftes Abendessen und danach huschen wir in unser Zelt, um die erste Nacht in der Masai Mara zu verbringen. Viele ungewohnte Geräusche und eine unerwartete Kühle hindern mich beim Schlafen. Ich freue mich schon riesig auf die Pirschfahrt und hoffe sehr, viele Tiere beobachten zu können.

Als Erstes fahren wir zum Telek-Fluss, wo sich tausende von Gnus eingefunden haben, um den Fluss zu überqueren. Bis das der Fall sein wird, kann es noch dauern. Anders, als ich es mir ausgemalt hatte, wandert die Herde nicht einfach munter darauf los und immer weiter, sondern sie weiden auf einer grossen Fläche und versammeln sich dann für das Crossing. Ein Tier tastet sich schlussendlich vor, um die Überquerung zu überprüfen und geht wieder zurück, um den Versuch an einer anderen Stelle zu wiederholen. Das kann Stunden dauern, bis endlich ein Gnu den Platz für geeignet erklärt und den Marsch antritt. Dann geht es aber sehr schnell. Alle anderen folgen dem Vorreiter, egal, ob sie in den Tod springen oder nicht. Im Falle einer Lücke stoppt hingegen der ganze Trott und das Vortasten fängt von neuem an.

Wir verharren eine ganze Weile. Immer mehr Gnus kommen und wir suchen nach der besten Position, ohne die Tiere zu verschrecken. Nichts geht, kein Versuch, den Fluss zu überqueren ist zu sehen. Wir sind mit unserer Geduld am Ende und geben auf.

Meine Blase meldet sich und weit und breit ist keine Toilette zu sehen. Beim Telek-Gate, welches wir passieren, gibt es zwar welche, aber sie sind geschlossen. Moses löst das Problem, das nicht nur ich habe, sehr pragmatisch: Nachdem er sich vergewissert hat, dass sich kein Löwe in der Nähe tummelt, verziehen sich die Frauen nach rechts hinter einen Busch und die Männer stellen sich links auf, um sich zu erleichtern.

Vorher aber dürfen wir eine Löwen-Dame beobachten, die vor unserem Auto über die Piste spaziert. Auch eine Giraffenherde will von uns fotografiert werden. Es handelt sich um die Massai-Giraffen, die sich von den Netzgiraffen durch ihre Fellzeichnung unterscheiden. Die dunklen Flecken sind ausgefranst und haben stark zerteilte Ränder. Sie sind auch etwas kleiner, als ihre Artgenossen.

Wir begeben uns wie sehr viele andere Autofahrer auf den Weg zum Mara-Fluss, um doch noch ein Gnu-Crossing beobachten zu können. Ich bin unsicher, ob ich mich wirklich in eine Reihe von bis zu fünfzig Autos stellen möchte, um das Spektakel zu sehen oder ob ich nicht lieber weiter auf die Suche nach den Big Five und anderen Schönheiten der Masai Mara gehen möchte.

Auf dem Weg begegnen wir einer Gruppe Touristen, die stolz ihre Bilder von einem Geparden zeigen. Moses dreht um und fährt zu der Stelle, an der sie die Bilder geschossen haben. Da liegen sie, die possierlichen Tiere. Es sind zwei Geparden, die sich faul im Schatten eines Busches ausruhen. Mit einem Ranger im Rücken ist es uns nicht möglich, näher an die beiden heranzufahren. Off-Road-Lizenzen sind teuer und die Bussen für das Fahren neben dem Weg vermutlich noch teurer.

Schliesslich kommen wir am Mara-Fluss an. Ich bin schockiert, wie viele Autos da wie die Geier auf die Überquerung warten. Irgendwie habe ich gar keine Lust, mich in die Masse zu begeben. Auch Moses ist das Missfallen anzumerken, aber er lässt es sich nicht nehmen, uns das Spektakel doch noch zu bieten. Um die Wartezeit etwas zu überbrücken, nehmen wir unseren Lunch zu uns. Es ist ziemlich heiss im Auto. Nur hin und wieder geht ein angenehmes Lüftchen.

Während wir warten, spielen zwei Schakale ein Spielchen mit uns. Sie rennen hin und her, so dass ich sie meist nur von hinten ablichten kann. Auch die Geier warten bereits auf die Gnus, die es nicht schaffen werden, den Fluss lebend zu überqueren. Nur diese lassen sich Zeit. Moses ist genervt, weil er weiss, dass wir noch einen weiten Weg bis zum Camp vor uns haben. Einstimmig versichern wir ihm, dass wir auf das Crossing verzichten wollen. Er meint zwar, dass wir genau das gebucht hätten, aber für mich ist es viel wichtiger, eine gute Zeit zu verbringen, als stundenlang auf etwas zu warten, wo Tausend andere mir womöglich noch die Sicht versperren würden.

Beim Rückweg haben wir das Glück, nochmals drei Geparden beim Herumstreifen beobachten zu können und etwas weiter weg tummeln sich zwei Löwen im trockenen Buschland. Der eine hat sich auf den Rücken gelegt und streckt alle viere in die Luft. Auch wenn dies keine Prachtsbilder werden, so ist es sehr schön, sich diese Szene anzuschauen.

Im Wissen darum, dass die Nacht kühl wird, decke ich mich mit einer weiteren Wolldecke zu und schlafe recht gut.

Beim Frühstück herrscht ausgelassene Stimmung. Eine Büffelherde gibt sich als erstes die Ehre auf unserer nächsten Pirschfahrt. Die Tiere sind unheimlich fotogen, denn die vorderen Büffel wenden sich stets dem Auto und dessen Insassen zu, um die Herde vor einem möglichen Angriff abzusichern. Diese Pose halten sie meist minutenlang, so dass es problemlos möglich ist, auch Detailstudien anzufertigen.

Von weitem können wir Geier ausmachen. Es sind so viele, da muss etwas zu Fressen sein. Ich bin sehr gespannt, was es ist, als Moses sich in schnellem Tempo der Meute nähert. Zumindest fühlt es sich auf der holprigen Piste schnell an. Die hässlichen Tiere nehmen kaum Notiz von uns, als wir bei ihnen ankommen. Genüsslich hacken sie mit ihren Schnäbeln auf ein totes Gnu ein und versuchen einen Happen zu erwischen. Dabei streiten sie sich, als ob es nicht genug für alle geben würde. Gemächlich kommen zwei Löwenmädchen und ein mächtiger Löwe an, um ihre Beute zurück zu fordern. Die Geier sind beeindruckt und verziehen sich, so dass sich die drei Löwen ein paar Bissen genehmigten können, um wieder davon zu trotten. Das alles spielt sich in unmittelbarer Nähe zu unserem Auto ab. Ich bin beeindruckt.

Noch voller Freude über das Erlebnis, sind schon die nächsten drei Löwen zu sehen. Die drei jungen Männchen liegen faul im Gebüsch herum und lassen sich von den Fliegen ärgern. Etwas weiter, aber in genügend grossem Abstand zu den Löwen, grasen Zebras. Eine Mutter säugt ihr Junges. Wie so oft, weiden die Zebras in einer Gemeinschaft mit den Gnus, von denen wir wieder eine riesige Masse sehen können. Die Zebras zieren sich etwas beim Überqueren eines Flüsschens, obwohl sie trockenen Fusses über Grasbüscheln gehen können.

Auf dem Weg zum Mara-Fluss begegnen uns ein Sekretär und ein paar Thomson-Gazellen. Sie sind nach dem Streifengnu die zweithäufigsten Huftiere in Kenia, was nicht zu übersehen ist. Der Sekretär ist ein Vogel, der meist auf dem Boden herumstolziert. Seinen Namen verdankt er seinen Federn am Kopf, die aussehen, wie die Schreibfedern, die sich Sekretäre früher in ihre Perücken gesteckt hatten.

Am Mara-Fluss dürfen wir aussteigen und die dicken Nilpferde bewundern, die sich zu Duzenden im Wasser und am Ufer tummeln. Immer wieder werden tote Gnus den Fluss abwärts getrieben. Sie haben es nicht geschafft. Entweder, sie sind in den Tod gesprungen oder von Krokodilen in die Tiefe gerissen worden.

Ein Ranger führt uns zu einer Stelle, von wo aus wir ein Crossing beobachten können. Es geht verhältnismässig schnell und er versichert uns, dass wir unheimliches Glück haben, so etwas live zu sehen. Ich bin mir nicht ganz sicher, ob er nicht auf ein grosszügiges Trinkgeld spekuliert mit seiner Aussage.

Wir nehmen unseren Lunch auf dem Platz ein, auf welchem die Ranger die Aufsicht haben, damit Touristen sich nicht zu nahe an die gefährlichen Hippos heranwagen. Als Moses uns vorschlägt, nochmals mit dem Ranger mitzugehen, um ein weiteres Crossing zu sehen, lehne ich erst ab. In Ermangelung einer anderen Beschäftigung gehe ich schliesslich doch mit. Diesmal führt er uns etwas weiter den Fluss entlang und es dauert auch nicht lange, bis die Gnus von der anderen Seite über den Fluss rennen. Dies bestätigt zwar meine Vermutung, dass dieser Anblick nicht ganz so selten sein mag, wie uns der Ranger weismachen wollte, aber es ist trotzdem toll, es mitanzusehen.

Die Ranger freuen sich über das übrig gebliebene Essen und wir verabschieden uns mit vollen Speicherkarten auf unseren weiteren Weg. Wir kommen an eine Brücke über den Mara-Fluss, wo viele der toten Gnus angespült werden. Selbst da, wo sich das Fressen im Überfluss bietet, streiten sich die Geier um die Beute. Nicht weit davon befindet sich die Grenze zu Tansania. Für einen kurzen Augenblick befinden wir uns in der Serengeti von Tansania, die sich erstaunlicherweise nicht von der Masai Mara unterscheidet.

Über eine lange Zeit begegnen uns Gnus, Gnus und nochmals Gnus. Dazwischen sind auch mal Spiessböcke oder Oryx-Antilopen, wie sie auch genannt werden und jede Menge Zebras auszumachen. Eine Pantherschildkröte kreuzt unseren Weg. Gemächlich, wie nur eine Schildkröte sich bewegt, krabbelt sie davon. Bei jedem Geräusch und bei jeder Bewegung zieht sie ihren Kopf ein. Wir lassen sie in Ruhe und widmen uns ein paar Straussen und Kaffernbüffeln zu, die sich von Madenhackern die Parasiten von ihren Körpern picken lassen. Ein hässlicher Name für einen ziemlich hübschen Vogel, wie ich meine.

Eine kleine Katze, es handelt sich um einen Serval, wie ich später herausfinde, schleicht sich im Gebüsch herum. Es sieht aus, als wäre sie auf Nahrungssuche. Leider lässt sie sich nur von hinten und der Seite ablichten, aber es ist auch schön, ihr bei ihrem anmutigen Gang mit ihrem nach oben gebogenen langen Schwanz zu beobachten.

Ein Gaukler, ein Verwandter des Schlangenadlers, sitzt majestätisch auf einem Baum und dreht seinen Kopf mit dem roten Schnabel von links nach rechts. Es sieht aus, als spähe er nach möglicher Beute.

In einem von Algen giftgrün gefärbten Tümpel tummelt sich ein Nilpferd. Wir haben aber keine Zeit, es zu beobachten, denn neben einer Hyänenfamilie sind Geparden in unserer Nähe. Wir beeilen uns, zu der Gruppe von Autos zu kommen, um ebenfalls einen Blick auf die fressenden Katzen zu werfen. Wieder ist es ein Gnu, das sein Leben lassen musste, um von den gierigen Katzen verspeist zu werden. So hübsch die getupften Katzen aussehen, so animalisch ist der Blick auf die blutverschmierte Schnauze. Auch das ist Natur: Fressen und gefressen werden.

Noch ein Crossing von Zebras und Gnus können wir exklusiv beobachten, wir sind nämlich die Einzigen, die die Tiere bemerkt haben. Bei einer weiteren Ansammlung von Autos fahren wir grossmütig vorbei, wir wurden heute mit einer solchen Tiervielfalt verwöhnt, dass wir uns die paar Löwen, die bloss im Busch herumliegen, entgehen lassen. Nicht entgehen lassen wir uns aber die nächsten Löwen, denn es handelt sich um eine Mutter mit ihren zwei Babys. Es ist süss mitanzusehen, wie sich die beiden spielerisch ihrer Mutter nähern und von dieser gründlich abgeleckt werden. Eine zärtliche Szene, die sich uns bietet.

Ein überaus erfolgreicher Tag und damit auch unsere Zeit in der Masai Mara geht zu Ende. Am nächsten Tag machen wir uns auf den Weg an den Bogoria-See, wo tausende Flamingos auf uns warten. Tiefe Furchen in der holprigen Piste schütteln uns komplett durch. Wer bisher noch keine Rückenbeschwerden hatte, hat sie bestimmt jetzt. Bei einem besonders tiefen Graben geraten wir so sehr in Schieflage, dass wir den Rückspiegel eines entgegenkommenden Fahrzeugs touchieren. Trotz der unsanften Begegnung ist kein Schaden zu sehen. Wir können die Reise fortsetzen.

Plötzlich gibt es einen Knall und die Frontscheibe ist schwarz. Geistesgegenwärtig bremst Moses den Landcruiser sanft ab. Er steigt aus und schliesst die hochgeschnellte Motorhaube. Die Splinte, die diese geschlossen halten, sind gerissen und so ist sie aufgesprungen. Moses braucht eine ganze Weile, um einen Verschluss mit einem Stück Draht zu basteln, den er mit einer rostigen Machete zurecht schneidet.

In Narok machen wir erneut einen Halt, um im Supermarkt Wasser und Snacks zu kaufen. Einer aus der Gruppe macht Moses darauf aufmerksam, dass unser Auto tropft. Ich denke, es ist bloss Kondenswasser.

Wir fahren die nächste Tankstelle an. Moses bittet uns, auszusteigen, was mich wundert. Wir könnten doch zum Tanken auch im Auto sitzen bleiben, denke ich. Aber Moses fährt den Landcruiser nicht an die Zapfsäule, sondern in die Werkstatt. Das Kondenswasser ist in Wirklichkeit Kühlwasser, denn der Kühler hatte einen Steinstoss nicht schadenfrei überstanden. In der Mitte prangt ein grosses Loch, welches notdürftig repariert wird. Dies dauert etwa zwei Stunden, in denen wir herumlungern und schliesslich im angegliederten Restaurant verpflegt werden. Nach einer erfolgreichen Probefahrt kann die Fahrt weiter gehen.

Wir kommen am bekannten Lake Nakuru vorbei und durchfahren die gleichnamige hübsche Stadt. Hier würde ich mich gerne etwas umsehen. Aber dafür ist keine Zeit. Ich frage auch gar nicht, ob wir anhalten. Wir haben ja ein Ziel und das ist noch ein ganz schönes Stück entfernt.

Weit haben wir Nakuru noch nicht hinter uns gelassen, als Moses das Auto an die Seite fährt und wir etwas verwundert aussteigen. Der Kühler hat es nicht geschafft, er muss erneut geflickt werden. Mir ist nicht ganz klar, was jetzt geschieht. Es bleibt uns nichts anderes übrig, als zu warten. Nach rund einer halben Stunde kommt dann ein Taxi, in welches wir uns quetschen. Für unser Gepäck reicht der Platz nicht. Dieses nimmt Moses mit zurück nach Nakuru, wo er das Auto reparieren lassen will. Er schätzt, dass wir ihn und unser Gepäck etwa drei Stunden später in unserer Unterkunft am Lake Baringo wieder treffen werden. Der Lake Bogoria und die Flamingos verschieben wir auf morgen.

Im Auto ist es eng und stickig, aber immerhin fährt es ohne zu Murren. Unser Taxifahrer ist nicht besonders redselig, also schauen wir zum Fenster hinaus, während er die von Schlaglöchern übersäte Strasse entlang fährt.

Auf einmal liegt ein Mann neben seinem Motorrad mitten auf der Strasse. Er ist offensichtlich verletzt. Völlig schockiert nehmen wir wahr, dass der Taxifahrer wie alle anderen Fahrzeuge an dem Verunfallten vorbei fahren will, wogegen wir vehement protestieren. Er sieht sich von uns genötigt, anzuhalten und eilt mit uns zu dem Verletzten. Zwei, ich glaube, es sind Ulli und der Taxifahrer, tragen ihn von der Strasse weg. Er bewegt sich, also lebt er noch. Am Kopf prangt eine grosse Wunde. „I’m okay“, sagt er, worauf ich erwidere: „No, you are not okay!“. Inzwischen haben sich auch Einheimische zum Unfallort gesellt. Sie versuchen den Verwundeten in ein Auto zu bugsieren, was ihnen nicht gelingt, denn plötzlich mobilisiert der Verletzte unerwartete Kräfte und wehrt sich gegen die Hilfe. Er torkelt zu seinem Motorrad. Wir deuten, dass er lieber unbehandelt bleibt, als auf sein Motorrad zu verzichten, welches vielleicht sein einziger Besitz ist. Resigniert steigen wir wieder ins Auto ein und fahren weiter.

Nun wird mir bewusst, dass Reiner der Einzige war, der nicht vom Auto weggerannt war. Immer wieder wird man vor fingierten Unfällen gewarnt. Während die einen hilfsbereit ihr Gefährt verlassen, um nach dem Rechten zu sehen, rauben Komplizen das Auto aus oder stehlen es gleich mit samt dem Inhalt. Wie einfach wäre das in unserem Fall gewesen. Das Auto stand offen da, der Zündschlüssel steckte und alle persönlichen Dinge wie Papiere, Geld und Kreditkarten befanden sich darin. Zum Glück hatte Reiner die Situation im Griff und liess sich nicht von Gefühlen leiten, wie wir anderen.

Während der weiteren Fahrt habe ich stets das Bild des Verunfallten im Kopf. Den anderen scheint das ebenso zu gehen, denn sie sprechen die Situation immer wieder an. Mir gehen tausend Fragen im Kopf herum. Hat er innere Verletzungen? Kommt er davon? Hilft ihm jemand? Warum ist das Motorrad für ihn so wichtig? War das Blut echt oder doch nur Schminke? Warum liess er sich nicht helfen? Warum war er plötzlich so kräftig, als er weggebracht hätte werden sollen und vorher lag er fast leblos da? Antworten werde ich nie erhalten.

Es wird dunkel und beginnt zu regnen. Die Frontscheibe läuft an, Benjamin wischt sie mit einem Tuch ab. Der Regen nimmt zu, so dass die Tiefe der Schlaglöcher kaum mehr zu erkennen sind. Auf der Strasse gehen Menschen und es kommen uns Autos, schwer beladene Motorräder sowie Fahrräder entgegen. Ganz schön gefährlich, finde ich. Schliesslich setzt auch noch Hagel ein. Wir nehmen es jedoch mit Galgenhumor, indem wir immer wieder spotten, dass wir ja gemäss Reisebeschreibung einen Abenteuer-Urlaub gebucht hätten. Die Stimmung ist seltsam ausgelassen. Trotzdem bin ich froh, wenn die schreckliche Fahrt endlich zu Ende ist.

Schliesslich sehen wir einen Wegweiser zur Soi Safari Lodge, in welcher wir untergebracht sind. Es kann also nicht mehr lange dauern. Bei schwach beleuchteten Hütten hält der Taxifahrer an und ich frage mich entsetzt, ob es sich hier um unsere Unterkünfte handelt. Aber der Fahrer fragt lediglich nach dem Weg, der nicht mehr weit ist.

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